Gaelen Foley - Knight 05 - Rache im Blut
spannenden Geschichten von den neu- esten Abenteuern ihres Neffen unterhalten: Kämpfe gegen Piraten, aufgebrachte Sklavenschiffe, Leben mit den Wilden, Begegnungen mit Berglöwen, Tempel in Malaysia oder das Durchqueren von Wüsten mit den Nomadenkarawanen von Kandahar. Charles war insgeheim davon überzeugt gewesen, dass das meiste davon erfunden war, bis er den Mann kennen gelernt hatte. Was in aller Welt wollte jemand mit so einem Besitz anfangen, fragte er sich und formulierte gedanklich schon eine diplomatische Warnung: Dies, Mylord, ist genau die Art überstürztes Abenteuer, das Ihren Onkel in gefährli- ches Fahrwasser gebracht hat ...
Ah, aber die Sache denken oder sie Devil Strathmore ins Gesicht sagen waren zwei verschiedene Paar Schuhe.
Genau in dem Moment war dumpfes Klappern aus dem
Winternebel zu vernehmen, das wie Donner in der Ferne klang, ehe etwas später deutlich erkennbar das Geräusch von Pferdehufen daraus wurde.
Endlich. Charles sah in die Richtung, wo große Eisentore das Grundstück abschlossen. Der seltsame Rhythmus rück- sichtslosen Fahrens wurde lauter, hallte über das Marschland und nahm an Lärm noch zu. Dann bog eine große, schwarze Kutsche um die Kurve und brauste über den Kiesweg, der der einzige sichere Zugang in der wuchernden Wildnis war.
Die vier schimmernd schwarzen Pferde flogen dahin, ihre Hufe fanden sicher den Weg über Eis und Wasser, und ihr Atem stieg in weißen Wolken von den Nüstern auf. Unbeein- druckt vom Wetter standen vier Diener vorne und hinten auf der Kutsche und sahen mit unbewegten Gesichtern vor sich hin. Sie trugen die traditionelle Uniform der Strathmo- res, ein gedämpftes Braun mit schwarzen Schnüren, steife Pelzdreizacke auf den Köpfen und weiße Spitzentücher am Hals.
Charles warf seinem Gegner einen Blick zu, als der aus dem Schutz des geschwungenen Daches trat und die Stufen des Pavillons herunterkam. Sein wachsamer Blick war auf das nahende Fahrzeug gerichtet. Als Charles das gierige Fun- keln in Mr. Dalloways Augen sah, überkam ihn die unbehag- liche Ahnung, dass sein Rivale heute gewinnen könnte, und wie sollte er das dann seiner Ladyschaft erklären? Sein Ent- setzen bei dieser Vorstellung konnte er nur dadurch etwas mildern, dass er an die Anordnungen der beeindruckenden Witwe dachte, die sie vor sieben Monaten aus Anlass der Rückkehr ihres Neffen nach London gegeben hatte.
„Schicken Sie alle Rechnungen von Devlin an mich“, hat- te der alte Drachen ihn ohne Umschweife angewiesen. Als Charles taktvoll nachgefragt hatte, um die alte Dame zu be- schützen, hatte Ihre Ladyschaft über seine Vorsicht nur ge- lacht. „Es reicht mir, dass er endlich nach Hause kommt, Charles. Mein attraktiver Neffe wird in der Stadt für Wirbel sorgen! Sie werden mir seine Rechnungen schicken.“
Und so hatte Charles gehorcht.
Die Rechnungen Seiner Lordschaft hatten wie ein Schwarm tintenbeschriebener Brieftauben ihren Weg in die elegante Villa der Witwe in Bath gefunden: Miete für das Stadthaus in der Portman Street und seine elegante Einrichtung, Aubusson-
teppiche, französische Seidenvorhänge, klassische Gemälde und nackte Marmorstatuen, der Weinkeller, die Bediensteten, die Kutsche, die Pferde, die Kleidung, die Loge in der Oper, die Gebühren für White’s und Brooke’s, die Feste, Juwelen für ihn selbst und zahllose namenlose Frauen, ja selbst die Spiel- schulden aus einem unglücklich verlaufenen Spielabend. Die liebe Tante Augusta hatte sie alle ohne Widerrede bezahlt. Aber dreitausend Pfund für einen alten, vernachlässigten Ver- gnügungspark? Das kam ihm außerordentlich vor.
Als der Kutscher die Pferde vor dem Pavillon zum Stehen brachte, schluckte Charles hart, und sein Herz schlug schnel- ler. Die Diener, die hinten standen, sprangen vom Wagen und bewegten sich wie Automatenmenschen nach vorne, einer öffnete den Kutschenschlag, der andere zückte einen Regen- schirm und hielt ihn bereit.
Dalloway warf Charles einen nervösen Blick zu und sah nicht mehr ganz so siegessicher aus.
„Sie haben Ihre Lordschaft noch nicht kennen gelernt, nicht wahr?“, murmelte Charles ihm voller Genugtuung zu.
Dalloway antwortete nicht. Er ließ die Kutsche nicht aus den Augen, wo der Diener jetzt die Stufen hinuntergeklappt hatte und mit steinernem Gesicht in das Innere der Kutsche blickte.
Der Erste, der aus dem Gefährt stieg, war der freundliche Bennett Freeman, ein gut gekleideter dunkelhäutiger junger Mann aus Amerika, der als
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