Gai-Jin
können wir uns ihr Wissen, ihre Waffen, ihre Flotten, ihren Reichtum aneignen, mit ihnen zu unseren Bedingungen Handel treiben und sie dennoch alle vertreiben, die ungerechten Verträge annullieren und es ihnen nicht gestatten, ohne strenge Restriktionen jemals wieder den Fuß an unsere Küste zu setzen.
Im Vermächtnis hieß es weiter: »Die Lösung für alle Probleme unseres Landes ist hier zu finden oder in Sun-tzu, und in der Geduld.«
Shōgun Toranaga war der geduldigste Herrscher von der Welt gewesen, dachte er, zum tausendstenmal von Ehrfurcht erfüllt.
Obwohl er – von der Burg Osaka abgesehen, der uneinnehmbaren, von dem Diktator Nakamura erbauten Festung – oberster Herrscher im Lande war, hatte er zwölf Jahre gewartet, um die Falle zu schließen, die er mit einem Köder bestückt hatte. Die Burg war fest in der Hand der Herrin Ochiba, der Witwe des Diktators, ihres siebenjährigen Sohnes und Erben Yaemon – dem Toranaga feierlich Treue geschworen hatte – und achtzigtausend fanatisch treuer Samurai.
Es hatte zwei Jahre Belagerung, dreihunderttausend Mann, die Geschütze des holländischen Kaperers Erasmus – mit dem Anjin-san, der Engländer, nach Japan gesegelt war – sowie ein ebenfalls von ihm gedrilltes Musketierregiment, einhunderttausend Mann Verluste, all seine Tücke und einen wichtigen Verräter innerhalb der Mauern gekostet, bis die Herrin Ochiba und Yaemon es vorzogen, Seppuku zu begehen, statt sich in Gefangenschaft zu begeben.
Dann hatte Toranaga die Burg Osaka dem Erdboden gleichgemacht, die Geschütze vernagelt, alle Musketen vernichtet, das Musketierregiment aufgelöst, die Herstellung und den Import sämtlicher Feuerwaffen verboten, die Macht der portugiesischen Jesuitenpriester und christlichen Daimyos gebrochen, die Lehen neu verteilt, alle Feinde beseitigen lassen, die Gesetze des Vermächtnisses erlassen, alle Räder sowie den Bau von seetüchtigen Schiffen verboten und, unter Bedauern, ein Drittel aller Einkünfte für sich und seine unmittelbare Familie in Anspruch genommen.
»Er hat uns stark gemacht«, murmelte Yoshi. »Sein Vermächtnis verlieh uns Macht und machte das Land so sauber und befriedet, wie er es beabsichtigt hatte.«
Ich darf ihn nicht enttäuschen.
Eeee, welch ein Mann! Wie klug von seinem Sohn Sudara, dem zweiten Shōgun, der Dynastie den Namen Toranaga zu geben, statt den eigentlichen Familiennamen Yoshi zu behalten – damit wir niemals die Quelle vergessen.
Wozu würde er mir raten?
Zunächst zur Geduld, dann würde er Sun Tsu zitieren: »Kennst du deinen Feind wie dich selbst, brauchst du einhundert Schlachten nicht zu fürchten; kennst du dich selbst, nicht aber deinen Feind, wirst du für jeden Sieg auch eine Niederlage erleiden; kennst du weder deinen Feind noch dich selbst, wirst du in jeder Schlacht unterliegen.«
Ich weiß einiges über meinen Feind, doch nicht genug.
Ich segne meinen Vater dafür, daß er mich den Wert einer guten Ausbildung erkennen gelehrt hat, daß er mir im Laufe der Jahre so viele verschiedene Lehrer gegeben hat, ausländische wie japanische. Es ist traurig, daß mir nicht die Gabe der Sprachen vergönnt ist und ich mir daher alles durch Mittelsmänner erarbeiten mußte: durch holländische Kaufleute, um Weltgeschichte zu lernen, durch einen englischen Matrosen, um zu prüfen, ob die Holländer die Wahrheit gesagt hatten, und um mir die Augen zu öffnen – genau wie Toranaga zu seiner Zeit den Anjin-san benutzt hat –, und durch viele andere mehr.
Da waren die Chinesen, die mir Verwaltung, Literatur und Sun-tzus ›Die Kunst des Krieges‹ nahegebracht haben; da war der alte, vom Glauben abgefallene französische Priester aus Peking, der mich ein halbes Jahr lang Machiavelli gelehrt hat, den er für mich mühsam in chinesische Schriftzeichen übersetzte, um dafür im Reich meines Vaters leben und die Weidenwelt genießen zu dürfen, die er so bewunderte; der amerikanische, in Izu gestrandete Pirat, der mir von Geschützen erzählte, von Grasozeanen, Prärie genannt, von ihrer Burg namens Weißes Haus und den Kriegen, mit denen sie die Eingeborenen jenes Landes auslöschten; der russische Emigrant und Sträfling aus einem Gebiet namens Sibirien, der behauptete, ein Fürst mit zehntausend Sklaven zu sein, und Märchen von Städten namens Moskau und St. Petersburg erzählte; und all die anderen – einige lehrten nur wenige Tage, andere monatelang, doch niemals ein Jahr, während keiner von ihnen wußte, wer ich
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