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Gai-Jin

Gai-Jin

Titel: Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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in einem Regal mit japanischen Büchern – erstklassiges Papier, wunderschön bedruckt und mit Holzdrucken illustriert – und versuchte, sich dem strahlenden Geschäftsinhaber verständlich zu machen.
    »Pardon, M’sieur«, hatte der Fremde sich eingemischt, »aber Sie müssen dem Mann sagen, was für eine Art Buch Sie suchen.« Er war in den Dreißigern, glattrasiert, gut gekleidet, mit braunen Augen und braunem, gewelltem Haar sowie einer schönen Galliernase. »Sie müssen sagen: Wakata shitia bakiu, Ingerish Nihongo, dozo – ich hätte gern ein Buch mit Englisch und Japanisch.« Er lächelte. »Die gibt es hier natürlich nicht, obwohl dieser Bursche hier Ihnen im Brustton der Überzeugung erklären wird: Ah so desu ka, gomen nasai, mujuku hotatsu etc. – Ach, tut mir leid, heute habe ich keine, aber wenn Sie morgen wiederkommen… Er sagt natürlich nicht die Wahrheit, sondern das, was Sie seiner Ansicht nach hören wollen, ein grundlegender Charakterzug der Japaner. Ich fürchte, sie gehen mit der Wahrheit nicht sehr genau um, nicht einmal untereinander.«
    »Aber, M’sieur, darf ich fragen, wo Sie Japanisch gelernt haben, Sie sprechen es ja offensichtlich fließend.«
    Der Mann lachte freundlich. »Sehr liebenswürdig. Ich kann es leider nicht sehr gut, obwohl ich mir Mühe gebe.« Ein belustigtes Achselzucken. »Geduld. Und weil einige von unseren Holy Fathers die Sprache beherrschen.«
    Phillip Tyrer runzelte die Stirn. »Leider bin ich nicht katholisch, ich gehöre zur Church of England und bin, äh, angehender Dolmetscher bei der britischen Gesandtschaft. Mein Name ist Phillip Tyrer; ich bin gerade erst eingetroffen und ein bißchen verunsichert.«
    »Ach ja, natürlich, der junge Engländer von der Tokaidō. Bitte, entschuldigen Sie, ich hätte Sie erkennen müssen, wir waren alle außer uns, als wir davon hörten. Darf ich mich vorstellen? André Poncin aus Paris. Ich bin Händler.«
    »Je suis enchanté de vous voir«, sagte Tyrer, der Französisch mühelos, wenn auch mit einem leichten englischen Akzent sprach – außerhalb Englands war Französisch auf der ganzen Welt die Diplomatensprache sowie die lingua franca der meisten Europäer und daher unerläßlich für einen Posten im Foreign Office wie auch für jeden, der sich für gebildet hielt. Ebenfalls auf französisch setzte er hinzu: »Glauben Sie, die Fathers würden mich in die Lehre nehmen oder mir erlauben, an ihrem Unterricht teilzunehmen?«
    »Ich glaube nicht, daß sie regelrecht Unterricht geben. Aber ich kann mich erkundigen. Fahren Sie morgen mit der Flotte?«
    »Ja, allerdings.«
    »Ich auch, mit M’sieur Seratard, unserem Gesandten. Waren Sie an der Gesandtschaft in Paris, bevor Sie herkamen?«
    »Leider nein, ich war nur zwei Wochen in Paris, auf Urlaub – dies hier ist mein erster Posten.«
    »Oh, aber Ihr Französisch ist ganz ausgezeichnet, M’sieur.«
    »Leider nein«, widersprach Tyrer auf englisch. »Sind Sie vielleicht auch Dolmetscher?«
    »O nein, einfach Geschäftsmann, aber ich versuche M’sieur Seratard zuweilen zu helfen, wenn sein offizieller Holländisch sprechender Dolmetscher krank ist – ich spreche Holländisch. Sie wollen also Japanisch lernen, und zwar so schnell wie möglich, eh?« Poncin ging zu dem Regal hinüber und wählte ein Buch. »Haben Sie schon mal eines von diesen gesehen? Das ist Hiroshiges Dreiundfünfzig Statio nen an der Tokaidō-Straße. Vergessen Sie nicht, daß sich der Anfang des Buches am Ende befindet, weil die Japaner von rechts nach links schreiben. Die Bilder zeigen die verschiedenen Stationen bis nach Kyōto.« Er blätterte in dem Buch. »Hier ist Kanagawa, und da Hodogaya.«
    Die vierfarbigen Holzdrucke waren bezaubernd, besser als alles, was Tyrer jemals gesehen hatte, und außergewöhnlich detailliert. »Sie sind wunderschön.«
    »Ja. Er ist vor vier Jahren gestorben, sehr schade. Manche dieser Künstler sind ganz, ganz hervorragend, Hokusai, Masanobu, Utamaro und ein Dutzend andere.« André lachte und zog ein anderes Buch heraus. »Hier, das ist ein Muß, ein Leitfaden für japanischen Humor und japanische Kalligraphie, wie sie ihre Schrift nennen.«
    Phillip Tyrer blieb der Mund offenstehen. Die Pornographie war dekorativ und mehr als deutlich, Seite um Seite, mit wunderschön gekleideten Männern und Frauen, deren nackte Körperteile dort, wo sie sich machtvoll und erfindungsreich vereinten, ins Monströse übertrieben und in majestätischem, behaartem Detail

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