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Gai-Jin

Gai-Jin

Titel: Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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betreten Sie niemals in Drunk Town so ein Haus.« Das war der sittenlose Teil der Niederlassung, wo sich die billigen Bars und Pensionen um das einzige europäische Bordell gruppierten: »Das ist für den Pöbel, die Taugenichtse, die Herumtreiber, Glücksspieler und Abenteurer, die dort mit stillschweigender Duldung zusammenkommen. Derartiges Gesindel gibt es in jedem Hafen, weil wir noch keine Polizei, keine Einwanderungsgesetze haben. Vielleicht ist Drunk Town ein Sicherheitsventil, aber es ist nicht ratsam, sich dort nach Einbruch der Dunkelheit aufzuhalten. Wenn Ihnen Ihre Börse und Ihre Geschlechtsteile lieb sind, gehen Sie nicht dorthin. Musko-san verdient was Besseres.«
    »Wie bitte?«
    »Oh, ein äußerst wichtiges Wort. Musko bedeutet ›Sohn‹ oder ›mein Sohn‹. Musko-san bedeutet wörtlich ›Ehrenwerter Sohn‹ oder ›Mr. Mein Sohn‹, im Patois aber schlicht und einfach ›Schwanz‹ oder ›Mein Ehrenwerter Schwanz‹. Mädchen werden musume genannt. Eigentlich bedeutet das Wort ›Tochter‹ oder ›meine Tochter‹, in der Weidenwelt aber ›Vagina‹. Zu Ihrem Mädchen sagen Sie: Konbanwa, musume-san. Guten Abend, chérie. Sagt man es aber mit einem Augenzwinkern, weiß sie, daß Sie meinen: Wie wär’s? Wie geht’s deinem Goldenen Gully, das, was die Chinesen manchmal als ›Die Pforte der Männer zum Paradies‹ bezeichnen – sie sind ja so weise, diese Chinesen, denn die Wände sind in der Tat mit Gold verkleidet, das Ganze ernährt sich von Gold und kann nur mit Gold geöffnet werden, so oder so.«
    Tyrer lehnte sich, das Notizbuch vergessend, mit wirbelndem Kopf bequem zurück. Fast noch bevor es ihm klar wurde, lag das kleine Buch mit den ukiyo-e, das er in seinem Aktenkoffer versteckt hatte, aufgeschlagen vor ihm, und er betrachtete die Bilder. Dann steckte er es unvermittelt zurück.
    Sinnlos, schmutzige Bilder zu betrachten, dachte er, ganz von Abscheu erfüllt. Die Kerze zischte schon. Er blies sie aus; dann streckte er sich mit dem vertrauten Ziehen in den Lenden lang aus.
    André hat’s gut. Offensichtlich hat er eine Mätresse. Das muß wundervoll sein, selbst wenn nur die Hälfte von dem stimmt, was er sagt.
    Ich frage mich, ob ich mir auch eine nehmen könnte? Könnte ich einen Kontrakt kaufen? André hat gesagt, daß das viele tun und ein privates Häuschen in der Yoshiwara erwerben, das geheim und diskret bleiben kann, wenn man das will: »Es heißt, daß alle Gesandten eins besitzen. Sir William geht mit Sicherheit mindestens einmal die Woche dorthin – er denkt, niemand weiß davon, aber alle spionieren ihm nach und lachen. Nur der Holländer hat keins, der ist den Gerüchten zufolge impotent, und auch nicht der Russe, der zieht es ganz offen vor, verschiedene Häuser auszuprobieren…«
    Sollte ich es riskieren, wenn ich’s mir leisten könnte? Schließlich hat André mir einen ganz besonderen Grund genannt: »Wenn Sie möglichst schnell Japanisch lernen wollen, M’sieur, besorgen Sie sich ein lebendiges Wörterbuch – das ist die einzige Möglichkeit.«
    Aber sein letzter Gedanke vor dem Einschlafen war: Ich möchte wissen, warum André so nett zu mir war, so redselig. Selten, daß ein Franzose einem Engländer gegenüber so offen ist. Sehr selten. Und merkwürdig, daß er kein einziges Mal Angélique erwähnt hat…
    Es war kurz vor Einbruch der Dämmerung. Ori und Hiraga, wieder in ihrer schwarzen Ninja-Kleidung, die alles verbarg, kamen aus ihrem Versteck auf dem Tempelgrundstück oberhalb der Gesandtschaft und liefen lautlos hangabwärts, über die Holzbrücke in eine Gasse hinein und dann in die nächste. Hiraga lief voraus. Ein Hund, der sie sah, knurrte, lief ihnen in den Weg und starb. Der kurze, kräftige Hieb, den Hiraga mit seinem Schwert austeilte, kam blitzschnell, dann eilte er mit blanker Klinge weiter, immer tiefer in die Stadt hinein. Ori folgte ihm vorsichtig. Beide Männer waren kampfkräftig, nur daß heute Oris Wunde wieder zu schwären begonnen hatte.
    An einer geschützten Ecke machte Hiraga halt. »Hier ist es sicher, Ori!« flüsterte er.
    Schnell schlüpften die beiden Männer aus ihrer Ninja-Kleidung und stopften sie in einen weichen Sack, den Hiraga sich auf den Rücken gehängt hatte; nun trugen sie unauffällige Kimonos. Mit größter Gründlichkeit säuberte Hiraga sein Schwert mit einem Stück Seide, wie es alle Schwertkämpfer bei sich trugen, um ihre Klingen zu schonen; dann schob er es in die Scheide. »Fertig?«
    »Ja.«
    Wieder

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