Gai-Jin
sind Sie, daß Sie das verlangen?« zischte Hiraga.
»Ihr seht unsere Abzeichen«, erwiderte der Mann zornig und trat auf die Holzbohlen der Brücke. Seine Männer verteilten sich hinter ihm. »Wir sind Krieger aus Mori, Neuntes Regiment, Leibwache des Shōgun. Weist euch aus.«
»Wir haben das feindliche Lager ausgekundschaftet. Laßt uns vorbei.«
»Ihr seht eher wie Diebe aus. Was ist in dem Sack da auf deinem Rücken, eh? Ausweise!«
Oris Schulter schmerzte. Er hatte die bedrohliche Verfärbung gesehen, sie und die Schmerzen aber vor Hiraga verborgen. Sein Kopf pochte, aber er wußte sofort, daß er nichts zu verlieren, sondern einen bewundernswerten Tod zu gewinnen hatte.
»Sonno-joi!« brüllte er unvermittelt und stürzte sich auf den Samurai auf der Brücke. Die anderen wichen zurück, um Platz zu machen, als Ori mit aller Gewalt zuschlug, sich aufrichtete, als der Schlag abgewehrt wurde, dann abermals angriff, und diesmal traf der Schlag ins Schwarze. Der Mann starb im Stehen, dann brach er zusammen. Sofort nahm Ori einen anderen Mann aufs Korn, der zurückwich, und einen dritten, der ebenfalls zurückwich. Der Kreis der Männer begann sich zu lockern.
»Sonno-joi!« rief Hiraga und eilte an Oris Seite. Gemeinsam stellten sie sich dem Kampf.
»Weist euch aus!« forderte ein junger Krieger unbeeindruckt. »Ich bin Hiro Watanabe und will weder töten noch von einem unbekannten Krieger getötet werden.«
»Ich bin ein Shishi aus Satsuma!« sagte Ori stolz und nannte, wie es bei ihnen üblich war, einen Decknamen. »Riyama Takagaki.«
»Und ich bin aus Choshu, mein Name ist Shodan Moto! Sonno-joi«, rief Hiraga und stürzte sich auf Watanabe, der ihm, genau wie die anderen neben ihm, ohne eine Spur von Angst auswich.
»Ich habe noch nie von euch gehört«, zischte Watanabe durch die Zähne. »Ihr seid keine Shishi – ihr seid Abschaum.« Sein Ausfall wurde abgewehrt. Hiraga, ein Schwertkämpfer, benutzte die Kraft und das Tempo seines Angreifers, um ihn auf dem falschen Fuß zu erwischen, trat zur Seite, schlitzte unter dem gegnerischen Schwert hindurch die ungeschützte Flanke des Mannes auf, wich zurück, durchschnitt mit einer einzigen Bewegung den Hals des Mannes, enthauptete ihn, während er zu Boden fiel, und nahm wieder perfekte Angriffsstellung ein.
Das Schweigen war tief. »Bei wem hast du gelernt?« wollte jemand wissen.
»Einer meiner Sensei war Toko Fujita«, antwortete Hiraga, mit jeder Faser seines Körpers auf das nächste Töten vorbereitet.
»Eeee!« zischte der Atem aus dem Mund des Mannes. Das war einer von Mitos hochverehrten Schwertmeistern, umgekommen ‘55 bei dem Erdbeben von Edo, das einhunderttausend Opfer gefordert hatte.
»Es sind Shishi, und Männer von Mito töten keine Shishi, ihre eigenen Leute«, sagte einer der Männer leise. »Sonno-joi!«
Argwöhnisch, der anderen nicht ganz sicher und das Schwert noch kampfbereit, trat der Mann einen Schritt zur Seite. Die anderen sahen ihn und dann einander an. Ihm gegenüber trat ein anderer Mann zurück. Nun gab es eine einladende, schmale Gasse zwischen ihnen, während die Schwerter allerdings noch gezogen waren.
Hiraga blieb kampfbereit, erwartete einen Trick, doch Ori nickte; sein Schmerz war vergessen, Sieg oder Tod, es war ihm gleich. Gemächlich säuberte er seine Klinge und steckte sie in die Scheide. Höflich verneigte er sich vor den beiden Toten, dann schritt er, weder rechts noch links, noch zurück blickend, durch die schmale Gasse.
Gleich darauf folgte ihm auch Hiraga. Ebenso langsam. Bis sie um die Ecke gebogen waren. Dann nahmen sie beide die Beine in die Hand und machten erst halt, als sie in sicherer Entfernung waren.
10
Die fünf Bakufu-Repräsentanten wurden, angeführt von Samurai mit Bannern, die ihre offiziellen Embleme trugen, und umgeben von Leibwachen, in ihren Sänften gemächlich in den Vorhof der Gesandtschaft getragen. Sie kamen eine Stunde zu spät. Sir William stand auf der obersten Stufe der breiten Treppe, die zu dem beeindruckenden Portal emporführte. Neben ihm der französische, der russische und der preußische Gesandte mit ihren Adjutanten, Phillip Tyrer und andere Mitglieder des Gesandtschaftspersonals sowie eine Highlander-Ehrengarde zusammen mit einigen französischen Soldaten, die Seratard ausdrücklich verlangt hatte. Admiral Ketterer und der General waren als Reserve an Bord geblieben.
Die Japaner verneigten sich höflich, Sir William und die anderen lüfteten den Hut.
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