GALAN - Die Seelenwanderin (GALAN-Saga) (German Edition)
so. Gestern, nachdem du mit Mama gesprochen hattest, kam sie zu mir. Du dachtest, sie hätte mich getröstet, was sie auch vorhatte, aber nicht so wie du denkst. Sie hat mir ihr Geheimnis verraten. Ihre Mutter war ebenso eine, wie auch ihre Oma. Die Gabe liegt in der Familie. Sie hatte gehofft, es würde mich überspringen, aber nachdem du ihr von meinen Träumen erzählt hast, hat sie es mir gebeichtet. Vati weiß es schon. Wir wollten es euch heute Abend sagen, aber dazu ist es nicht gekommen. Du bist nun der Erste, der es erfährt. Es sollte ein Familiengeheimnis bleiben, denn wir wissen nicht, was uns die Zukunft bringt."
„Selbstverständlich, aber fürchtest du dich nicht vor den Auswirkungen?", wollte er von mir wissen.
„Ja, aber ich lerne damit umzugehen. Ich kann durchschlafen, wenn ich es will. Außerdem hat Mama mir versprochen, dass sie mir alles Wichtige beibringen wird. Ich weiß nur nicht, was es bedeuten soll, dass ich gerade jetzt diese Gabe entwickle, wo der Krieg ausgebrochen ist." Ich kräuselte meine Lippen. „Und ich frage mich, ob es eine Erklärung gibt, warum ich im Traum immer zu Jeremia gehe.", sagte ich mehr zu mir als zu ihm.
„Lass uns jetzt zu Bett gehen. Wir müssen morgen früh aufstehen." Aaron nahm meine Hand und zog mich mit einem Ruck hoch. Nebeneinander stiegen wir die Treppe hinauf. Vor meiner Zimmertür kurz verharrend wünschte mir Aaron eine gute Nacht und küsste mich auf die Stirn.
Ich wünschte ihm ebenfalls eine gute Nacht und betrat mein Zimmer. Während ich die Kerze anzündete, wurde ich von Trauer und Einsamkeit überwältigt. Ich weinte bitterlich, denn ich begriff, dass dies für lange Zeit die letzte Nacht sein würde, in der wir alle zusammen waren. Diese Erkenntnis traf mich, wie ein Schlag ins Gesicht, mit voller Wucht. Ich hätte am liebs-ten laut aufgeschrien, wollte aber nicht, dass mich jetzt jemand hörte. Ich musste einen klaren Kopf bekommen. Ich durfte keine Angst zeigen; ich wollte stark sein. Wie würde ich meine Traurigkeit los?
Ich setzte mich an meinem Schreibtisch, holte mein Tagebuch heraus und schrieb mir meine Sorgen von der Seele. Ab und zu benetzte eine Träne die Seiten, sodass die Tinte verschmierte. Es war mir egal.
Danach blies ich die Kerze aus und krabbelte unter meine kuschlige Daunenbettdecke. Ich fühlte mich erschöpft und kraftlos und fand keine Ruhe. Mir ging so vieles durch den Kopf und der Schlaf ließ auf sich warten. Gedämpfte Stimmen hallten durch die Wände, die ohne Zweifel von Casper und Jazem stammten, da ihr Zimmer direkt neben meinem lag. Dass Casper uns verlassen würde, gefiel mir gar nicht. Ich würde ihn fürchterlich vermissen, aber ich beschloss, dass ich ihn mit meiner neuen Gabe bewachen würde. Erleichterung machte sich in mir breit.
Schon ertappte ich mich dabei, meiner tief in meinem Inneren ruhenden, unstillbaren Sehnsucht nachzugeben. Jeremia. Was er wohl gerade machte? Sollte ich es wagen, ihn heute Nacht zu besuchen? Nach allem, was ich wegen ihm durchgemacht hatte? Mein Verlangen, ihn zu sehen war stärker als meine Vernunft. Ich musste ihn sehen, denn er fehlte mir. Vielleicht als Freund dachte ich noch und schloss die Augen. Mit dem Gedanken an sein schönes Gesicht schlief ich ein.
6. Kapitel
Ich fand mich mitten im stockdunklen Wald wieder. Zu Beginn fehlte mir jegliche Orientierung. Meine Augen mussten sich erst an die Dunkelheit gewöhnen. Der Mond spendete kaum Licht, deswegen brauchte ich eine Weile, um zu begreifen, wo ich gelandet war. Das Heulen eines Wolfes ließ mich aufschrecken, meine Nackenhaare richteten sich auf. Ich fröstelte beim Anblick der riesigen, schattenhaften Bäume, die im Wind schaukelten. Die Blätter raschelten bedrohlich. Über mir schrie zu allem Überfluss auch noch eine Eule.
Was machte ich hier? Ich hatte mir doch ganz fest Jeremia vorgestellt, bevor ich eingeschlafen war. Ich trippelte langsam, vorsichtig vorwärts und versuchte zu ertasten, wo ich hintrat. Der Boden fühlte sich gefährlich weich an. Erst als ich ein schwaches Licht erblickte, spürte ich Erleichterung. Umso näher ich kam, desto deutlicher hörte ich die Stimmen. Einige dunkle Gestalten hockten um ein loderndes Feuer, von dem Funken emporstiegen, winzige Lichtpunkte, die in die Dunkelheit schossen.
Plötzlich stellte sich das Gefühl ein, dass Jeremia da war.
Es war unbeschreiblich. Ich fühlte eine Anziehung, als suchte meine Seele die seine. Ohne darüber nachzudenken, steuerte
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