Galgeninsel
Auftrag haben Sie Kubasch erteilt und wie kamen Sie überhaupt in Kontakt zu ihm?«
Kehrenbroich saß da und stierte wortlos auf den Schreibtisch. Funk versuchte es. »Wie war das also mit Kubasch?«
Nach langem Warten kam schließlich die Antwort. »Mit den Toten habe ich nichts zu tun.«
Der jammernde Ton machte Schielin wütend. Da saß ein Banker vor ihm, der fähig und gerissen genug war, mit Hilfe eines obskuren russischen Zuhälters seinen eigenen Geschäftspartner in den Ruin zu intrigieren. Die beiden wurden kurz nacheinander zu Tode befördert und der Kerl hockte sich hierher, spielte die drei Affen vor und machte auf Mitleid. Schielin schlug zornig mit der flachen Hand auf den Tisch. So wirklich nicht! Selbst Funk schrak zusammen, wenngleich er mit etwas in dieser Art schon gerechnet hatte. Zum einen ging ihm das Winseln von Kehrenbroich auch auf die Nerven und andererseits kannte er Schielin.
Der rutschte ganz nahe an den Schreibtisch heran und hörte, wie seine Stimme bedrohlich bebte: »Das glauben Sie doch selbst nicht, dass Sie mit den beiden Toten nichts zu tun haben. Sie! Sie und niemand anders bildete die Schnittstelle zwischen den beiden. Woher kannten Sie Kubasch? Los jetzt.«
Kehrenbroich versuchte mit dem Stuhl nach hinten zu rutschen, um etwas mehr Abstand zwischen sich und Schielin zu bekommen. Er schluckte. »Glauben Sie mir doch. Es ging immer nur um die Firma.«
Schielin fuhr aufgebracht zurück und betrachtete den komischen Vogel vor sich. »Schauen Sie sich Kubasch nur noch mal gründlich an. Falls es wirklich stimmen sollte, dass Sie mit den Morden nichts zu tun haben, wäre es vielleicht an der Zeit zu überlegen, ob Sie nicht unter Umständen das nächste Opfer sein könnten«, er pochte auf die Fotos, die vor ihm lagen. »Wenn ich mir das so ansehe, halte ich es jedenfalls nicht für unwahrscheinlich.«
Dann stand Schielin auf und ging wortlos hinaus. Er musste mit Lydia reden. Vielleicht war die ja weitergekommen als er.
Salz und Pfeffer
Lydia ließ sich Zeit. Anna Kandras saß gelassen im Stuhl, hatte die Beine übereinander geschlagen und verfolgte die Vorbereitungen der blonden Polizistin. Die schien es nicht eilig zu haben und war auch nicht aufgeregt. Fast so als wäre sie zu Hause und verrichtete irgendeine Allerweltsarbeit.
»Möchten Sie etwas trinken?«, begann Lydia das Gespräch und lächelte Anna Kandras zu, was ihr nicht schwer fiel, denn diese distanzierte, dunkelhäutige Frau war ihr einfach sympathisch.
Anna Kandras lehnte mit einer Handbewegung ab und fragte ihrerseits: »Wie kommt man eigentlich zur Polizei?«
»Interesse?«, lautete die schmunzelnde Gegenfrage.
»Natürlich nicht. Ich meinte eher, wie kommt eine Frau wie Sie zur Polizei?«
Lydia setzte sich an den Schreibtisch und sortierte das Foto von Kubasch nach vorne, während sie überlegte. »Mhm. Gute Frage. Bei mir war es eher Zufall. Ich hatte zwei Semester Kunstgeschichte studiert, eher so aus Verlegenheit. Eine Freundin hat sich bei der Polizei beworben und ich habe aus purer Unüberlegtheit mitgemacht. Völlig ohne Absicht.«
»Und Sie sind dann genommen worden?«
»Sieht so aus oder?«
»Und Ihre Freundin?«
»Die auch. Sie ist immer noch in München.«
Anna Kandras deutete auf Lydias linke Hand. »Ihr Mann ist auch bei der Polizei?«
Lydia sah auf ihren Ring und überlegte, ob sie Anna Kandras gestatten sollte, weiterhin die Fragen zu stellen. Sie entschied sich für ein Ja und sagte »Gott sei Dank nicht. Er ist Bildhauer.«
»Ein Künstler«, rief Anna Kandras begeistert aus und lachte.
Lydia sah sie verwundert an. »Wenn Sie so wollen. Er arbeitet überwiegend an Brunnen. Das ist nicht so ganz brotlos.«
Beide ließen die Stille, die sich dem belanglosen Beginn anschloss, Stille sein. Der ernstere Teil des Gespräches musste folgen.
Lydia entschied sich für einen schnellen Beginn. Sie legte Anna Kandras das Foto von Kubasch vor. Die nahm den großformatigen Ausdruck ohne Zögern in die Hand, obschon sie erkennen konnte, um welche Art Foto es sich dabei handelte. Anscheinend hatte sie weder Angst noch Abscheu vor dem, was sie sich betrachten sollte.
»Kennen Sie diesen Mann?«, fragte Lydia.
»Nein«, lautete die Antwort, während sie weiter auf das Bild sah und es erst kurz danach wieder zurück auf den Schreibtisch legte.
»Wir haben ihn heute Morgen draußen auf der Galgeninsel aufgefunden. Es war eine … Exekution.«
Anna Kandras sah ihr stumm und wartend in die
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