Galgeninsel
Augen, ohne etwas zu sagen.
Lydia wechselte. »In welchem Verhältnis stehen Sie zu Herrn Dr. Kehrenbroich?«
Ein flüchtiges Lächeln erhellte die bisher durchweg ernste Miene der Befragten. »Ich habe kein Verhältnis mit Herrn Dr. Kehrenbroich.«
Lydia blieb ernst. »Meine Frage lautete anders. In welchem Verhältnis stehen Sie zu ihm?«
»Wir kennen uns seit dem Studium.«
»Sie sind also miteinander befreundet?«
»Ja. Wir sind befreundet und stehen in geschäftlicher Verbindung.«
»Welcher Art ist diese geschäftliche Verbindung?«
Anna Kandras antwortete nun vorsichtig. »Nun ja. Ich habe mit Faynbach geschäftlich zu tun«, und fuhr, kaum dass es ausgesprochen war, mit Daumen und Zeigefinger über die Nasenspitze.
Lydia musste augenblicklich Lächeln. Die Lüge war offensichtlich und das machte ihr Anna Kandras nicht unsympathischer.
Sie legte die Karten auf den Tisch. »In welcher Beziehung stehen Sie zu den Firmen DKL Immo und Sypexa?«
Na endlich, dachte sie, als sie sah, welche Wirkung diese Frage auf Anna Kandras hatte. Die zuckte erschrocken, wenngleich es nach Lydia Nabers Geschmack auch etwas heftiger hätte sein können. Das hatte sie also nicht erwartet. Und sie schwieg; schwieg, um zu überlegen.
Lydia war gespannt darauf, wie viel sie von sich aus zu offenbaren bereit war.
Anna Kandras sprach langsam, immer noch überlegend, als sie einige Momente später zu reden begann. »Es handelt sich um Firmen, die ihren Sitz in der Schweiz haben. In der DKL ist der Immobilienbesitz gebündelt. Die Sypexa ist ausschließlich für die Verwaltung der Liegenschaften zuständig. Beide Firmen haben eigene Geschäftsführer und werden sehr solide geführt. Es sind seriöse Gesellschaften, die schon im Besitz meiner Großeltern waren – mütterlicherseits. Sie waren nach deren Tod zu ganzen Teilen im Eigentum meiner Mutter und gingen nach«, sie unterbrach kurz und setzte erneut an, »… gingen nach dem Ableben meiner Mutter an mich über. Ich werde dort unter meinem richtigen Namen Anna Kahlenberg geführt. Der Muttername hat in der Schweiz eine andere Bedeutung als in Deutschland.«
Sie unterbrach und sah an Lydia vorbei. »Es handelt sich bei den Immobilien zum großen Teil um Gewerbeobjekte wie Hotels, Restaurants, Büroanlagen, Ladenflächen und Teilhabe an Messeunternehmungen. Ein gutes Drittel besteht aus eher prestigeträchtigen Wohnobjekten hier am See, im Bregenzer Wald und in der Schweiz. Wie Sie sicher schon wissen, steht Faynbach & Partner unter Führung der IFKA, einer Liechtensteiner AG, die ich kontrolliere.«
Lydia nickte. »Wobei wir auch bei Dr. Kehrenbroich angekommen wären.«
»Ja. Wir kennen uns seit Studienzeiten. Es war kurz nach dem Tod meiner Mutter, als ich überlegte, wie mit den bestehenden Firmen am besten zu verfahren sei. Gerade da sind wir uns zufällig wieder begegnet.«
»Schön«, sagte Lydia, ohne dass es ironisch oder gar sarkastisch klang.
»Es ging ihm nicht sonderlich gut. Er hatte gerade eine Entziehungskur hinter sich …«
»Alkohol?«, fragte Lydia.
»Ja. Nichts von diesem andern Zeug. Er hatte seinen Job über diesem Elend verloren. Ich mochte ihn schon immer, außerdem ist er ein hochintelligenter Kerl. Irgendwie ist dann die Idee mit der Finanzdienstleistung entstanden und er hat das Ganze organisiert. Es klappt bis heute vorzüglich.«
Sie strich sie über die Wange, hob den Kopf und ließ ihre Zunge über die Oberlippe gleiten.
Lydia registrierte diese Übersprungshandlung und machte sich Notizen. Faynbach & Partner war sicher nicht ohne Ziel aus der Taufe gehoben worden.
»Kandras hat das sicher anders gesehen«, stellte Lydia nüchtern fest.
»Wie er das gesehen hat, war für mich nie von Interesse.«
Lydia deutete auf das Foto. »Ihr Herr Kehrenbroich hat diesen Mann hier auf Kandras angesetzt. Es war ein russischer Zuhälter, unterste Schublade. Er hat die Kunden von Kandras aufgesucht und ihnen deutlich zu verstehen gegeben, dass es für sie besser wäre, von einem Geschäft mit Kandras Abstand zu nehmen. Das sind Mafiamethoden.«
Beide saßen in aufrechter Haltung gegenüber und fixierten einander.
Anna Kandras wartete mit ihrer Antwort. »Vielleicht handelt es sich hier um Missverständnisse. Es ist doch nichts dagegen einzuwenden, dass Kunden über eventuelle Nachteile eines Geschäftes informiert werden. Das kann der ein oder andere durchaus falsch interpretieren. Soweit ich weiß, liegen in dieser Hinsicht keinerlei Anzeigen
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