Galgentochter
Atem, der sauer nach Branntwein und faulig nach abgestorbenen Zähnen stank.
«Faul wie die Sünde bist du», schimpfte die Mutter und versetzte ihr einen Schlag auf den Hinterkopf. «Schlafen, den ganzen Tag im Gras liegen und schlafen, als wärst du eine Prinzessin, während ich mir die Haut vom Leib arbeite.»
Sie stieß das Mädchen vorwärts, immer wieder, bis sie das Haus, in dem sie wohnten und das von den anderen das Hurenhaus genannt wurde, erreichten.
Dort stieß die Mutter sie in die Küche. Mit dem Finger zeigte sie auf einen riesigen Berg schmutziges Geschirr. «Spül das. Vorher bekommst du nichts zum Abendbrot.»
Wortlos machte sich das Mädchen an die Arbeit, hörte von drinnen, aus der Gaststube, die sich unter den Kammern der Frauen befand, Gelächter und zotige Scherze.
Als sie das Geschirr gespült hatte, warf die Mutter ihr einen Kanten Brot hin, ein Stück Speck dazu. «Iss und dann scher dich ins Bett. Ich komme gleich hoch und wehe, du schläfst dann nicht.» Dann setzte sie sich auf den Schoß eines Mannes, der gierige Augen hatte.
Hastig schlang die Tochter ihr Essen hinunter, kletterte über eine schmale Stiege hinauf in die Kammer der Mutter und legte sich auf einen Strohsack, der unter dem Fenster lag. Bevor sie die Augen schloss, sah sie wehmütig zur Bettstatt mit den weichen Kissen und Fellen. Doch sie wusste, dass sie dort nicht liegen durfte. Nie! Niemals! Eher sollte der Blitz vom Himmel sie treffen, hatte die Mutter gesagt, als dass sie in das Bett durfte.
Sie versuchte, ganz schnell einzuschlafen. Eine der Frauen hier hatte ihr erzählt, man brauche nur Schäfchen zu zählen, doch das Mädchen konnte nicht zählen. Es lag, presste die Augen fest zusammen, doch schon hörte es die Mutter die Stiege heraufkommen.
Die Tür wurde aufgestoßen, und das Mädchen sah die Mutter hereinkommen und einen Mann hinter sich herzerren. Die Mutter war sichtlich unlustig. Müde, die Augen von tiefen Ringen umrahmt, die rote Paste rings um den Mund verschmiert.
Der Mann torkelte ein wenig, hob an, ein Lied zu singen.
«Pscht!», fauchte ihn die Mutter an. «Das Kind schläft. Sei leise, habe ich dir gesagt, sonst kannst du deine Lust woanders stillen.»
Mit mürrischem Blick ließ sie sich auf das Bett fallen, während der Mann an seinen Beinkleidern hantierte. Als es ihm gelungen war, sich aus dem Stoff zu pellen, kniff er der Mutter ein wenig in die Wange. «Pass auf, mein Hürchen, gleich werden wir uns vergnügen.»
Das Mädchen wollte die Augen zukneifen. Sie hatte diese Dinge schon zu oft gesehen, hatte das Stöhnen gehört, das Keuchen, den Aufschrei zuletzt. Sie kannte den Geruch nach warmer Haut, schalem Bier, Urin und Schweiß. Ganz fest drückte sie ihre Nase in die kratzende Pferdedecke, doch vergeblich.
Als die Mutter zum ersten Mal stöhnte, öffnete sie doch die Augen. Der Mond schien durch das Fenster, welches keine Scheibe hatte, sondern nur im Winter mit in Öl getränktem Stoff verhangen war, um die Kälte abzuhalten. Beim letzten Sturm war der Stoff gerissen und fortgeweht. Seither schien der Mond herein. Das Mädchen blinzelte zum Bett der Mutter hinüber und sah im Licht die weißen, massigen Schenkel links und rechts neben dem Mann aufragen. Der saugte an den Brüsten der Mutter, dann richtete er sich auf, nahm das Ding, welches die Frauen Schwanz nannten, in die Hand und stieß damit in die Mutter. DasMädchen konnte seinen weißen Hintern auf und ab tanzen sehen, und sie wusste, dass nun das nächste Stöhnen kommen würde.
«Mach, mein Schöner. Mach schneller, du Bock. Komm, gib’s mir!», stöhnte die Mutter, und der weiße Hintern tanzte noch schneller zwischen den weißen Schenkeln. Sie hatte den Kopf in den Nacken geworfen, stierte an die Decke und feuerte den Mann gelangweilt an: «Ja, so ist es gut, du weißt, was eine Frau braucht!»
Und der Mann stierte dumpf nach unten, der Schweiß von seiner Stirn tropfte auf den Bauch der Mutter, während er sich auf ihr abmühte.
Jetzt, dachte das Mädchen, wird er gleich schreien. Als der Mann es tatsächlich tat, seufzte sie auf, zog sich die Decke über den Kopf und war schon bald eingeschlafen.
Kapitel 3
Hella verließ das Haus in der Fahrgasse, blinzelte in die Sonne und reckte sich ein wenig. Der Frühling hatte ein blaues Tuch über die Stadt gespannt und die Sonne in die Mitte gehängt. Ihre Strahlen wärmten nur wenig, doch das war Hella gleich. Endlich, dachte sie, endlich bekommt die Stadt ihre
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