Galileis Freundin (German Edition)
Gerste wurden gehortet zum Brot backen. Zusätzlich zu dem Brunnen im Hof an der Einfahrt, ließ Marco einen alten Ziehbrunnen hinter der Terrasse, der seit Jahren ausgedient hatte, ausbessern und tiefer graben. Aus vierzig Ellen Tiefe sprudelte frisches Trinkwasser bis auf zwanzig Ellen in dem breiten Brunnen hoch.
Einer Festung gleich strotzte die Burg Krankheiten und Seuchen. Gäste fanden keinen Einlass mehr, als die Besatzung des Kastells Kunde erhielt, dass die unheimliche Pest weite Landstriche überzogen hatte. Ein großes Tor schützte den Zugang zur Zitadelle gegen die Pest. Fremde mühten sich vergeblich um Einlass . Die Herrin der Befestigung beschwor ihre Bediensteten und redete ihnen jeden Tag ins Gewissen, nicht leichtsinnig zu sein und das Leben aller unbedacht aufs Spiel zu setzen.
„ Lasst alle Tore stets verschlossen“, hämmerte sie ihrer Besatzung ein. „Denkt an die komme n de Zeit, wenn ihr gesund und vor allem lebendig eure Verwandten begrüßen könnt.“
Wie ein Schiff auf hoher See, das auf sich selbst gestellt war, so lebten die Bediensteten bald mit ihrer Herrin Picchena als Kapitänin alleine in ihrem Anwesen und verteidigten ihre Burg gegen Eingriffe von außen. Jeder Mann und jede Frau erhielt am frühen Morgen seine Arbeit zugeteilt. Lang e weile als Explosionsherd eines Ausbruchsversuches hatte in dem Quarantäneschloss keine Chance. Faulheit und Müßiggang ließ Caterina doppelt bestrafen. Männer und Frauen lernten Arbeiten verrichten, deren Fertigkeiten ihnen zuvor verloren gegangen waren. Sähen und Er n ten, Dreschen und Mahlen, Brot backen und Obst haltbar machen. Kisten und Kästen bauen, Holz hacken, Gräben ziehen, Mauern errichten, reparieren und Wache halten, ständig gab es genügend Arbeiten zu verrichten, um die Menschen von der grausamen Seuche abzulenken.
Marco führte seine Arbeiter mit der Zielsetzung, ‘wer nicht abends todmüde in sein Bett fällt, hat tagsüber zuwenig geleistet’. Persönlich achtete er darauf, dass die beiden Brunnen nach dem Wasser holen, stets gut abgedeckt und verschlossen wurden.
Der Friede in ihrer selbst erwählten Citadella war trügerisch. Unbemerkt von den Einwohnern tobte um die Burg Picchena herum der mörderische Krieg der grausamsten aller Seuchen.
Nach einigen Wochen vorgetäuschter Sicherheit schlich sich die Fürstin aus dem Haus. Mit Wehmut und unendlicher Sehnsucht an vergangene, traumerfüllte Tage durchwanderte sie den Weg ihrer ersten Liebe. Es schien, als wären die schmalen Pfade, die sie in ihrer Kindheit g e gangen war, seit ihrem fünfzehnten Lebensjahr von niemand mehr betreten worden. Das Gras war hoch gewachsen, Äste hingen über den Weg, und manch ein Spinnengewebe glänzte, b e netzt mit Tautröpfchen, gegen das Licht der Frühlingssonne, als habe die Gestalterin dieses Kunstwerkes Edelsteine eingewoben. Der Weg zu dem einsamen Gehöft, das sie anstrebte, durch die duftenden, satten Wiesen, vorbei an erwachenden Waldrändern und entlang an mu r melnden Bächen und kleinen, in der Sonne ruhenden Teichen, erfüllte Caterinas Herz mit seh n suchtsvoller Liebe zu ihrer Heimat.
Nichts in der Natur ließ auch nur annähernd die drohende, tödliche Gefahr der Pest vermuten. Gräser und Blattwerk, Bäche und Vögel blieben unbeeindruckt von der Bedrohung des Me n schen durch den schwarzen Tod.
Das Hoftor des Podere Perdomini stand offen. Es herrschte eine merkwürdige Stille auf dem Gelände. Caterina lauschte eine Weile am Tor in den schweigsamen Tag. Leise flüsterte der Wind in den Blättern der Pappeln, unter denen sie mit ihrem Kindesf reund gesessen hatte. Sie schien selbst das zarte Wiegen der Grashalme an der Hauswand zu hören. Vereinzelt zirpten ein paar Grillen, die sich in der jungen Frühlingssonne wärmten. Die Hauswand entlang huschten einige Salamander. In diesen ersten Minuten fürchtete sich die Besucherin, die friedvolle Geborge n heit weiter zu erforschen.
Dann durchschritt sie das geöffnete Tor. Sie klopfte vernehmlich an die Tür, die zur Cucina führte. Auch dort vernahm sie kein Geräusch. Die Stallungen waren leer. Wie ein Eindringling stieß sie die Tür zur Cucina auf. Auch hier niemand. In dem Kamin knisterte eine letzte Glut. Sie schaute sich ängstlich um, verließ die Cucina und die Stube, ging hinaus und verschloss hinter sich die Küchentür. Mit wenigen Schritten war sie um das Haus h erum gegangen. Eine merkwürdige Stille schwieg sie an.
Von Ferne vernahm sie vage das
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