Galileis Freundin (German Edition)
Auch über sie hatte Petrarca philosophiert: „.....Doch sind weder die Unwissenheit noch die Seuche selbst so hassenswert wie die Flausen und Fabeln der Leute, die, obgleich sie alles behaupten, nichts wissen, deren Mund obgleich an Lügen gewöhnt, am Ende freilich ebenfalls schweigt. Ihre Dreistigkeit hatte ihn zunächst g e öffnet, entsprechend ihrem Eigensinn, doch ihr eigenes Erstaunen ließ sie schließlich verstu m men.“
‘Nun sind die Feiglinge allenthalben zu erkennen’, dachte die in Florenz zurückgebliebene Gr ä fin. ‘Mutlos entschwinden sie in ihre vermeintliche Sicherheit. Hinter sich lassen sie ein tödl i ches Band vergifteter Brunnen und beschuldigter Hexen. Die Großspurigen und Selbstherrl i chen haben als erste die Stadt verlassen. Hasenfüßig rettete sich jeder, wie er konnte. Nicht das Ausweichen der Menschen auf das Land erweckt meinen Zorn. Hochmut und Hoffart sind die Brüder und Schwestern von Feigheit und Furcht.’
Nach ihrer erschreckenden Wanderung durch die Grausamkeiten dieser Theaterwelt stand C a terina unerwartet wieder vor dem Palazzo an der Piazza Santa Trinita. Die Familie Buonde l monti war längst in ihre Landvillen im Val di Pesa geflüchtet. Die Kinder hatte sie mitgeno m men. Die einsame Gräfin verspürte nur noch den Drang, ebenfalls diese unselige Stadt auf dem schnellsten Wege zu verlassen. Sie sehnte sich nach Picchena, der Fluchtburg nahe San G i mignano. In den frischen und feuchten Wäldern ihrer Heimat würde sie Ruhe und Frieden fi n den können.
Über das ganze Land breitete der schwarze Tod seinen unheilvollen Teppich mit panischer Furcht und atemloser Beklommenheit aus. Aus allen Landesteilen Italiens raubte die berichtete Dramatik der Geschehnisse den verängstigten Menschen jegliche Nächstenliebe. Die Medizin hatte kein Mittel gegen die Pest, außer Ausräuchern der Stadt mit Kräuteressenzen oder Th e riak, einem Sammelsurium von toten Substanzen, Schlangenfleisch, Vipernextrakten, Kröte n pulver und Opiaten. Wenn Priester noch in den ersten Tagen in Prozessionen durch das Land zogen und als Rettung die Reliquien von Heiligen zur Schau stellten, verweigerten sie sich bald, den Sterbenden das letzte Sakrament zu geben. Sie stellten die geweihten Öle gewisse r maßen zur Selbstbedienung einfach auf den Altar und verschwanden. Dennoch wuchs das m a terielle Vermögen der Kirche in dieser Zeit immens an. Als ganze Familien und Sippen dahi n gerafft wurden, vermachten die zuletzt Sterbenden noch schnell ihre weltlichen Güter der Ki r che Roms. Sie hofften, sich mit dieser Schenkung den Weg in die Glückseligkeit zu erkaufen.
Der erste Pestfall hatte sich südlich Volterra, in der Podere delle Monache di Santa Chiara, angekündigt. Eine Woche später wurden bereits über hundert Fälle in Volterra und San G i mignano ausgewiesen, so dass die volterranische Behörde für das Gesundheitswesen, l’Ufficio della Sanitá, zu stärkeren Maßnahmen gezwungen war. Sie schickte Reiter durch das Land, mit der Aufgabe, Häuser mit Pestinfizierten oder als solchen Geltenden zuzumauern und jeden Menschen zu erschießen, der sich den Verordnungen widersetzte. So wurden die Ärzte und Totengräber, die noch zu Beginn der Epidemie gegen reichliche Entlohnung ihren Dienst ve r richteten, mit der Armbrust bedroht, ihre Pflichten zu erfüllen.
In Volterra, wie in San Gimignano blieben die Stadttore jedwedem Besucher verschlossen und verursachten bittere Armut und Hungersnöte innerhalb der Stadtmauern. Der drohe n de Tod raubte den Menschen die letzte Möglichkeit zu politischen Handlungen. Die Prioren starben einer nach dem anderen und wurden nicht mehr ersetzt. In der Stadt herrschte das reinste Chaos. Jeder richtete sich nach der Devise: rette sich, wer kann.
Auf Picchena bereiteten sich die wenigen Menschen unter der Anleitung ihrer Herrin wie auf einen Krieg vor. Die Gefahr von Seuchen, bösartigen Krankheiten und der heimtückische Tod lauerten überall. Es galt, für eine längere Zeit, nahezu unabhängig zu werden. Caterina verbot Besuche in der Stadt oder auf Bauernhöfen. Wie ein einsames Schiff unter Quarantäne weit vor dem Hafen ankert, rüstete sich die Burg für eine unbestimmte Dauer der Unabhängigkeit. Es sollte niemand in Picchena eingelassen werden, niemand durfte die Burg verlassen.
Der Anbau von Nahrungsmitteln wurde vorbereitet. Im Park hackten Mägde zusätzliche Beete für Gemüse und Bodenfrüchte auf, Roggen und
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