Galileis Freundin (German Edition)
den Früchten der Felder und dem klaren Wasser. Ihr lasst euch die Pastete aus Frankreich kommen, den Wein aus Bordeaux und den Seidenstoff aus China. Vor allem aber ihr Lüstlinge, ihr treibt es zu sehr miteinander“, fuhr der Mönch mit donnernder Stimme fort. „Das sind die Strafen Gottes. Das Leid der Menschen soll die Sühne sein für eure Sünden. Der Mann, der mit der anderen verheirateten Frau ins Bett geht, das wollüstige Treiben bei den Festen und Feie r lichkeiten. Jetzt habt ihr eure Strafe für eure Schandtaten. Gott bestraft uns alle, für die Sünden der Einzelnen. Kehrt um, tuet Buße." Die Worte des Predigers rauschten wie ein Bach an C a terinas Ohr vorbei, bis eine fremde Stimme aus einem Seitenschiff ihre Aufmerksamkeit erre g te.
"Vater", rief eine einfache Frau aus dem Volke dem Mönch zu, "Vater helft mir. Sagt mir, was ich tun soll. Ich brauche euren Rat. Ich lebe in Armut. Ich habe sieben Kinder geboren. Vier hat der Herr schon zu sich geholt. Ich feiere keine Feste, ich schlafe nicht mit anderen Mä n nern, ich schlafe noch nicht einmal mehr mit meinem eigenen Mann.“
Während dieser letzten Worte ging ein Raunen durch die verängstigte Menge. Bis die Frau schließlich fortfuhr.
„Ich arbeite den lieben langen Tag in einer Gerberei . Meine Hände sind von dem Wasser und den vielen Farben ganz rau geworden. Jetzt überfällt die Pest unsere Stadt. Ich hoffe, sie ve r schont unser Haus. Ich hoffe sie verschont unsere Familie, meinen Mann und mich und meine restlichen Kinder. Vater, sagt mir, was soll ich tun?"
Der Mönch zeigte sich überrascht, eine einfache Frau so reden zu hören, während eine une r kannte Stimme aus der Menge laut rief: „Er weiß es selber nicht. Er schläft auch nicht mit anderen Frauen, oder vielleicht doch?“
Trotz des tödlichen Ernstes in der Kirche begannen viele zu lachen.
Dennoch richtete sich der Mönch ruhig an die einfache Frau.
"Tue auch du Buße. Die Pest ist die Strafe für uns alle. Vielleicht seid ihr einmal froh, dass di e se Pest über euch gekommen ist."
Mit einer Drohgebärde wischte er über seine Gläubigen.
"Die Hölle wartet vielleicht auf euch. Die Hölle wird die Sünder in sich braten lassen. Das Fe u er ist schon angeheizt. In großen Töpfen sitzen die Leiber und schmoren in heißem Wasser. Andere werden am Spieß gebraten oder zerhackt und den Vögeln zum Fraß vorgeworfen.“ „So peinigt uns auch schon die Inquisition hier auf Erden“, rief ein Angstloser dazwischen. Die Menge erstarrte. Unbeirrt fuhr der Prediger fort.
„Gehet hin und tuet Buße. Der Teufel wartet ansonsten auf euch. Euer Leben in Sünde und Schande hat nur einen einzigen Weg. Den Weg in die finstere Hölle."
Eine Wolke schob sich gerade vor die Sonne. Die hellen Strahlen, die noch eben durch das Bleiglas auf den Boden der Kirche gefallen waren, zogen sich ängstlich zurück, und Dunkelheit untermalte die Worte des Predigers. Ein Kind weinte. Frauen schluchzten. Andere senkten ihr Haupt und schauten auf den kahlen Steinboden. Verkrampfte Gestalten drängten sich aneina n der, husteten, niesten und schauten entsetzt zu ihrem heiligen Mann auf. Furcht verbreitete sich. Die Welt war hoffnungslos. Die Menschen fanden in den Worten des Gottesmannes ke i nen Trost. Die Gestalten wurden kleiner und ärmlicher, die Verzweiflung verzehrte sie.
Nach den Drohungen und Vorwürfen der Predigt in der Kirche begab sich die Gräfin in der Menge der Menschen auf einen Weg abseits der Piazza Trinita. Sie vermied den gegenüberli e genden Palast, in dem sie Sicherheit und Schutz vor der Krankheit hätte finden können. Diese Sicherheit suchte sie nicht. Ein noch unbekanntes Ziel, ein nicht gesuchter Ort zog sie unwil l kürlich an. Die zeternden Menschen verloren sich schnell, sie strebten ihren Häusern zu.
Einsam stand die Markgräfin auf der Straße. Hinter der nächsten Gasse fand sie sich an einem kleinen Weg am Arno wieder. Ein wenig glaubte sie die frische Frühlingsluft atmen zu können.
Der stickige Dunst in der Kirche, vermengt mit den drohenden Worten des Predigers, hatte sie in Unruhe und Schrecken versetzt. Sie hatte keinen Blick für die beginnende Blüte der wunde r schönen Platanen, für die aufbrechenden Knospen der am Straßenrand stehenden Sträucher. Ein klatschendes Geräusch schreckte sie auf. In den Arno hatte jemand gerade einen toten, vergifteten Körper geworfen. Die schwarz aufgeblähte Leiche tauchte wieder auf und schwamm mit dem Gesicht
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