Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)
ein paar geballert hatte, und aus den Scharen seiner Opfer hätte man eine ansehnliche Armee bilden können. Aber ich merkte bald, dass er vor allen Dingen ein großer Spinner war, und glaubte nicht die Hälfte seiner Geschichten und hörte ab Mitternacht nicht mehr zu. Nun, neun Uhr morgens in L. A., ging ich zum Rangierbahnhof, aß ein billiges Frühstück aus Doughnuts und Kaffee in einer Bar, wo ich an der Theke saß und mit dem italienischen Barmann plauderte, der wissen wollte, was ich mit dem großen Rucksack machte, dann ging ich auf den Bahnhof und setzte mich ins Gras und sah zu, wie sie die Züge zusammenstellten.
Stolz, weil ich selber mal Bremser war, machte ich den Fehler, auf dem Bahnhofsgelände mit meinem Rucksack auf dem Rücken herumzuwandern, mit den Rangierern zu plaudern und nach dem nächsten Vorortzug zu fragen, und plötzlich kam ein großer, dicker, junger Cop an mit einer Kanone, die an seiner Hüfte in einem Halfter baumelte, aufgemacht wie Wyatt Earp im Fernsehen, und schickt mich mit einem stahlharten Blick durch dunkle Brillengläser vom Gelände. Er beobachtet mich, wie ich über den Übergang auf die Landstraße gehe, steht da, die Arme in die Seiten gestemmt. Wütend ging ich auf der Landstraße zurück und sprang über den Eisenbahnzaun und legte mich eine Weile platt ins Gras. Dann setzte ich mich hin und kaute Gras, hielt mich trotzdem flach und wartete. Bald hörte ich den Pfiff einer Lokomotive, und ich wusste, welcher Zug fertig war, und ich kletterte über Waggons zu meinem Zug und sprang auf, als er auslief, und fuhr mitten aus dem L. A.-Bahnhof raus, auf dem Rücken liegend mit einem Grashalm im Mund, direkt unter dem erbarmungslosen Blick meines Cops, der jetzt aus einem anderen Grunde die Arme in die Seiten gestemmt hatte. Er kratzte sich sogar den Kopf.
Der Nahzug fuhr nach Santa Barbara, wo ich wieder an den Strand ging, schwamm und an einem schönen Holzfeuer im Sand etwas aß und zum Bahnhof zurückkam, wo mir noch viel Zeit bis zum Midnight Ghost blieb. Der Midnight Ghost besteht hauptsächlich aus flachen Waggons, auf denen Sattelzugmaschinen mit Stahlseilen festgezurrt sind. Die riesigen Räder der Lastwagen sind zwischen Holzblöcken eingeklemmt. Da ich meinen Kopf beim Schlafen immer direkt gegen diese Holzblöcke legte, würde der erste Zusammenstoß so viel bedeuten wie auf Wiedersehen, Ray. Ich dachte mir, wenn es meine Bestimmung war, auf dem Midnight Ghost zu sterben, dann war es eben meine Bestimmung. Ich dachte mir, Gott hätte für mich noch Arbeit zu erledigen. Der Ghost kam genau nach Fahrplan, und ich stieg auf einen flachen Waggon, unter einen Lastwagen, breitete meinen Schlafsack aus, steckte meine Schuhe unter meinen zusammengerollten Mantel als Kissen und machte es mir bequem und seufzte. Uiih, schon waren wir unterwegs. Und jetzt weiß ich, warum die Gammler ihn den Midnight Ghost nennen, denn erschöpft schlief ich, gegen jedes bessere Wissen, tief ein und wachte erst unter dem grellen Schein der Lampen des Bahnhofsbüros in San Luis Obispo auf, eine sehr gefährliche Situation. Aber keine Menschenseele war in Sicht, es war mitten in der Nacht, außerdem, gerade als ich aus einem vollkommenen, traumlosen Schlaf erwachte, machte die Hupe vorn Bau, Bau, und wir liefen schon aus, genau wie Geister. Und ich wachte dann fast bis San Francisco am Morgen nicht mehr auf. Ich hatte noch einen Dollar, und Japhy wartete auf mich in der Hütte. Die ganze Reise war so rasch und erleuchtend wie ein Traum gewesen, und ich war wieder da.
24. Kapitel
Wenn die Dharma Gammler jemals Laienbrüder in Amerika haben sollten, die mit Weib und Kind und Heim ein normales Leben führen, dann werden sie wie Sean Monahan sein.
Sean war ein junger Zimmermann, der in einem alten Holzhaus weit oben an einem Feldweg wohnte, abseits vom Gewirr der Hütten in Corte Madera, eine alte Klapperkiste fuhr, eigenhändig hinten an das Haus eine Veranda anbaute, als Kinderzimmer für spätere Kinder, und sich eine Frau ausgesucht hatte, die mit ihm in jedem Punkt darüber einig war, wie man ein unbeschwertes Leben in Amerika ohne viel Geld führen konnte. Sean nahm sich gern ein paar Tage von seiner Arbeit frei, nur um auf den Hügel zu der kleinen Hütte zu steigen, die zu dem Grundstück gehörte, das er gemietet hatte, und um da oben einen Tag mit Meditation und dem Studium der buddhistischen Sutras zu verbringen und sich Tee aufzubrühen und Schläfchen zu halten. Seine Frau
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