Ganz oder gar nicht
es eilig."
„Auf Wiedersehen, Rosalind." Er nahm seine Aktentasche. „Ich lasse von mir hören."
Langsam ging Najib zu dem eleganten, schmiedeeisernen Aufzugschacht. Doch bevor er den Knopf drücken konnte, setzte sich die Kabine aus dem Erdgeschoss in Bewegung.
Rosalind biss sich auf die Unterlippe. Statt die Wohnungstür zu schließen, blieb sie in nervöser Erwartung stehen. Wie hatte sie nur vergessen können, daran zu denken?
Najib blickte zu ihr zurück. Seine Augen weiteten sich, als er ihren Gesichtsausdruck sah.
Schicksalsergeben wartete sie auf das, was kommen musste.
Der Lift kam mit einem ächzenden Geräusch zum Stehen. Die Tür öffnete sich, und ein kleiner Junge und ein junges Mädchen stiegen aus.
Najib hielt die Tür auf und sah ungläubig zu, wie der Kleine, der ein mit buntem Transparentpapier beklebtes Blatt in der Hand hielt, auf Rosalind zurannte,
„Mommy, Mommy!" rief Sam, und seine Augen funkelten. „Guck mal, was ich für dich gemacht habe!"
Über seinen Kopf hinweg sah Rosalind, dass Najib al Makhtoum seine dunklen Augen anklagend auf sie gerichtet hatte. Dann drehte er sich um und betrat den Lift.
„Er ist dem alten Herrn wie aus dem Gesicht geschnitten", sagte Najib.
„Verdammt!" stieß Ashraf hervor. „Verdammt, verdammt, verdammt!" Und, nach einem Moment des Schweigens: „Und von der al Jawadi Rose weiß sie nichts?"
„Das behauptet sie jedenfalls. Aber sie lebt in einem Apartment in Kensington, das sie sich bestimmt nicht von ihrem Ein kommen als Übersetzerin leisten kann."
Wieder fluchte Ashraf. „Du glaubst also, sie hat den Ring verkauft? An wen?"
Najib schüttelte den Kopf. „Keine Ahnung. Ob und an wen sie verkauft hat, hängt auch davon ab, wie viel sie darüber wusste."
„Sie weiß jedenfalls genug, um zu bestreiten, dass das Kind von Jamshid ist."
„Vielleicht hört sie damit auf, wenn sie erst einmal Zeit zum Nachdenken hatte. Sie war natürlich davon ausgegangen, dass wir alle von dem Briefwechsel wussten und sie einfach im Stich gelassen hätten. Und der Himmel weiß, was sie über Jamshids Motive dachte."
„Najib, wenn er ihr den Ring gegeben hat, dann kann sie an der Ernsthaftigkeit seiner Absichten nicht gezweifelt haben."
„Stimmt. Aber vielleicht hat sie sie verkauft, weil Großvaters Brief jegliche Loyalität in ihr abgetötet hat."
„Das passt alles nicht zusammen", entgegnete Ashraf.
„Irgendwann wird sie mit der Sprache herausrücken", sagte Najib, obwohl er sich insgeheim fragte, ob er nicht als Erster die Kontrolle über sich verlieren würde.
„Wir haben aber nicht so viel Zeit", stellte Ashraf klar. „Wir müssen den Jungen hierher bringen, und es hätte eigentlich schon gestern geschehen müssen."
„Ich weiß."
„Kannst du es schaffen, sie herzubringen. Brauchst du Unterstützung?"
Najib dachte daran, wie Rosalind ihn angeschaut hatte, in je nem eigenartigen Augenblick. Ein Versprechen war in diesem Blick gewesen, auf das er sein Leben lang gewartet hatte, ohne es zu wissen.
„Ich schaffe es", erwiderte er.
Sam und Rosalind saßen auf dem Sofa. Sie drückte ihren Sohn fest an sich, während sie ihm ein Bilderbuch vorlas, das sie sich aus der Leihbibliothek geholt hatten, und er eifrig seine Kommentare zu den Bildern gab. Das machten sie fast jeden Tag.
Heute jedoch bekam der Kleine nicht ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Immer wieder starrte Rosalind auf den Ring an ihrer Hand, und sie konnte nicht aufhören, an ihre Begegnung mit Najib al Makhtoum zu denken.
Ihr schwirrte der Kopf vor lauter unbeantworteten Fragen. Warum hatte Jamshid seinem Großvater nichts von seiner Heirat gesagt? Warum hatte er ihr nie gesagt, aus was für einer reichen Familie er stammte? War das Testament wirklich erst vor kurzem aufgetaucht, oder hatte diese Familie einen anderen Grund, sich jetzt plötzlich von diesem Erbe zu trennen?
Falls ja, hatte das vielleicht mit der Hoffnung auf einen Erben Jamshids zu tun. Najib hatte von einem Schmuckstück gesprochen, aber wie wahrscheinlich war es, dass sie wirklich glaubten, Jamshid habe ihr etwas so Kostbares gegeben? Sie wusste nicht allzu viel über Diamanten und Edelsteine, aber der Diamant an ihrem Finger musste mindestens zwei Karat haben. Und der andere sollte noch größer sein? Wovon war die Rede? Vom Koh-i-Noor? Aber warum hätte Jamshid ihr so etwas schenken sollen, wo er ihr doch nichts von seinem fast überirdischen Reichtum erzählt hatte?
Natürlich hatte er ihr Geschenke
Weitere Kostenlose Bücher