Ganz oder Kowalski
seinen Platz, bevor sie an ihrem Kaffee nippte.
„Danke, dass du meine Kiste wiedergefunden hast, Gram.“
„Du hast früher oft stundenlang an der Kiste rumgebastelt. Du warst noch so klein, als du damit angefangen hast. Dein Großvater musste dir damals dabei helfen, die Bilder aus den Magazinen auszuschneiden, weil du immer weinen musstest, wenn du mal versehentlich eines der hübschen Kleider zerschnitten hast.“
Sie hatte große Träume gehabt. Der Traumprinz hatte auf einem edlen Schimmel und mit einem rosafarbenen Hemd in ihr Leben reiten und ihr Herz im Sturm erobern sollen. Und er hatte ihr Gedichte über seine glühende Liebe zu ihr schreiben sollen. In ihrer Fantasie war jeder Tag voller Romantik, Rosen und Champagner gewesen.
Seitdem hatte sich vieles verändert. Wenn sie endlich den Punkt erreichen würde, an dem es zur Wahl stand, eine Familie zu gründen, würde sie sich mit Liebe, Zuverlässigkeit und Respekt zufriedengeben, statt auf Romantik und Rosen zu hoffen. Falls es überhaupt jemals so weit kam.
Sie verspeiste gerade ihren zweiten Pfannkuchen, als Sean in die Küche trat. Sein Haar war noch feucht vom Duschen. Genüsslich verspeiste er seinen Pfannkuchen.
„Ich muss sicher weinen, wenn Sie nach Florida zurückkehren, und bin ganz schnell wieder auf Fertighaferbrei und Drive-in-Schalter von Fast-Food-Restaurants angewiesen“, sagte er und blickte sie übertrieben traurig an.
„Schleimer“, murmelte Emma mit den Lippen an ihrem Kaffeebecher, aber Sean lächelte sie nur an.
Gram legte einen zweiten Pfannkuchen auf Seans Teller. „Mary hat uns alle zur großen Feier zum Unabhängigkeitstag am vierten Juli eingeladen. Zuerst wird bei ihnen gefeiert, und dann sehen sich alle das Feuerwerk am See an. Ich habe gesagt, dass wir kommen. Sie meinte, dass Ihre Familie auch da sein würde, Sean.“
Und vorbei war es mit Emmas Appetit. „Das hast du mir gar nicht erzählt“, brachte sie an Sean gewandt hervor.
Er zuckte mit den Achseln. „Mitch hat gesagt, er wäre dort. Von den anderen habe ich noch nichts gehört.“
Mit dem Kopf auf die Tischplatte zu schlagen war keine gute Idee, also schob Emma sich ein Stück von dem Blaubeerpfannkuchen in den Mund. Gemächlich kaute sie, um genug Zeit zu gewinnen, bis der Aufruhr in ihrem Inneren verhallt war.
Nicht nur, dass immer mehr Menschen in dieses Durcheinander hineingezogen wurden, das sie angerichtet hatte. Nein, bei seinen Brüdern und seiner Schwester würde alles nur noch schlimmer werden, weil sie so tun müsste, als wären diese Leute keine vollkommen Unbekannten für sie. Der bloße Gedanke daran bereitete ihr Kopfschmerzen.
Sie schob den Stuhl zurück, stand auf und wusch ihren Teller ab. „Ich muss noch ein paar Telefonanrufe machen, bevor wir losfahren. Und wir werden heute den ganzen Tag in der Sonne arbeiten, Sean. Du solltest es also beim Frühstück etwas ruhiger angehen lassen.“
„Geht es dir gut, Schatz?“, fragte Gram und sah sie besorgt an. „Bis gerade eben schien noch alles in Ordnung zu sein, doch jetzt siehst du etwas blass aus.“
Emma zwang sich zu einem Lächeln. „Ich versuche nur, die Termine in meinem Kopf zu sortieren, Gram. Wegen Samstag bin ich mir noch nicht sicher … Vielleicht muss ich auch am Wochenende arbeiten.“
„Sei nicht albern. Kein Garten ist wichtiger als dein Privatleben. Wenn Seans Familie sich die Zeit nehmen kann, dann kannst du das auch.“
„Gut, Gram. Ich werde es versuchen.“ Sie gab ihrer Großmutter einen Kuss auf die Wange und floh dann in ihr Arbeitszimmer, um ein paar Minuten ungestört zu sein.
Sean hatte die bevorstehende Familienfeier oder die Tatsache, dass seine Tante mit ihrem Erscheinen rechnete, mit keiner Silbe erwähnt. Und auch den Umstand, dass seine Geschwister kommen würden, hatte er ihr wohlweislich verschwiegen.
Emma legte die Stirn auf die kühle Oberfläche ihres Schreibtischs und seufzte. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Noch mehr Kowalskis.
Sean wusste noch immer nicht genau, was er machen wollte, wenn der Monat vorbei war. Eines stand für ihn allerdings fest: Als Landschaftsgärtner für affektierte Kunden mit zu viel Geld zu arbeiten kam für ihn nicht infrage.
Wieder verbrachten sie den Tag am Ufer des Lake Winnipesaukee in einem dieser „kleinen Sommercottages“, die genau genommen Villen waren. Gemeinsam rundeten sie die Gartengestaltung ab, die Emma zuvor schon begonnen hatte.
„Wird sie dich vielleicht bitten, alle Pflanzen
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