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Gargantua Und Pantagruel

Gargantua Und Pantagruel

Titel: Gargantua Und Pantagruel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francois Rabelais
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nicht mit heiterm Urteil, unterstützt von treuer Nachforschung, vorausgesehen haben. Sammelt also nun euer Hirn, entschlaget euch all eures Staunens, wenn euch das, was ihr von meinen Hausbeamten verrichten saht, damit erfüllt hat. Schaut, lernt und merkt nach freier Willkür auf alles, was mein Haus enthält. Emanzipiert euch nach und nach so aus dem Dienst der Ignoranz. Gar sehr ist dies mein Wunsch; und euch davon ein unverstelltes Zeugnis zu geben, auch in Betracht der heißen Lehrbegierden, die ihr in euern Herzen, wie mir scheint, zur Genüg erhellend, schoberweis ja turmhoch aufgespeichert habt, erheb' ich euch hiemit von Stund an zu meinen Abstraktoren. Mein Hofkoch wird euch bei euerm Abschied in das Buch eintragen.« – Ohne ein lautes Wörtlein dankten wir für dies schöne Amt, das sie uns übertrug, und nahmen es an.

Einundzwanzigstes Kapitel
Wie die Königin beim Abendessen bedient wurde, und wie sie aß
    Nach dieser Rede wandte sich die Dame an ihre Kavaliere und sprach zu ihnen: »Der Magenmund, als allgemeiner Hoflieferant und Proviantvogt aller Glieder, unterer wie oberer, bestürmt uns, mittels Auftragung genügender Nahrungsmittel ihnen wiederzugeben, was durch stete Wirkung der natürlichen Wärme auf unsre Körper ihnen entzogen worden war. Ihr Herren meines Hofes! An euerm Eifer fehl es nicht, daß sich die Tafeln schleunig decken, daß sie von allen Gattungen rechtmäßiger Erfrischung strotzen. Ihr auch, edle Herrn! Vorkoster und Kauer! Die Gewähr eurer mit Treu und Fleiß gezierten Geschicklichkeit macht, daß ich euch nicht erst gebieten darf, euch also in euerm Dienst zu zeigen und stets aufmerksam zu sein. Nur was ihr tut, zu tun, erinnr' ich euch.« – Nach diesem Spruch begab sie sich nebst etlichen von ihren Zofen auf kurze Zeit hinweg, und zwar ins Bad, wie man uns sagt'. Sogleich schlug man die Tafeln auf und deckte sie mit erlesnem Linnen. Die Hausordnung war, daß die Dame nichts aß als himmlische Ambrosia, nichts trank als Götternektar. Aber die Herrn und Damen ihres Hofes und wir desgleichen wurden mit so raren, leckern, köstlichen Gerichten, als sie je einem im Traum erschienen, bedient.
    Neu aber fand ich vor allem die Art der Dame, wie sie zu essen pflegte. Sie kaute nichts, nicht weil ihr's etwa an guten, derben Zähnen gefehlt hätte, oder weil ihre Speisen nicht des Kauens wären bedürftig gewesen, sondern es war so ihr Gebrauch und Lebensart. Wenn die Vorkoster ihre Speisen zuvor erprobt hatten, empfingen sie die Vorkauer und kauten sie ihr zierlichst vor, wobei ihr Schlund mit Karmesinatlas von zarter Goldstickerei und ihr Gebiß mit schönem weißem Elfenbein gefüttert war; und wenn sie ihr damit das Essen sattsam klar und fein zerteilt hatten, ward es ihr durch einen Seiher von feinem Gold bis in den Magen hinabgeseiht. Desgleichen ward uns auch erzählt, daß sie nicht anders zu Stuhl ging als per procuram .

Zweiundzwanzigstes Kapitel
Wie in Gegenwart der Quintessenz ein lustiger Ball in Turniergestalt gegeben wurde
    Nach Endigung der Abendmahlzeit ward in der Dame Gegenwart ein Ball in Turnierart gegeben. Zu dessen Vorbereitung ward das Pflaster in dem Saal zuerst mit einem großen samtenen Teppich in Schachbrettform bedeckt, das heißt in gelb und weiße Felder geteilt. Jetzt traten zweiunddreißig junge Leut in den Saal ein; sechzehn waren in Goldbrokat gekleidet, nämlich: acht junge Nymphen, wie die Alten sie in Gesellschaft der Diana zu malen pflegten (das waren die »Bauern«), ein König, eine Königin, zwei Turmwächter (als »Türme«), zwei Ritter (als »Läufer«), und zwei Bogenschützen (als »Springer«). In gleicher Ordnung sechzehn andre in Silberstoff gekleidet. Auf dem Teppich war ihr Stand geradeso wie auf dem Schachbrett üblich.
    Ein jedes Heer hat seine Spielleute in gleicher Tracht, die einen in orangegelben, die andern in weißen Damast gekleidet, bei sich; acht waren auf jeder Seite, mit ganz verschiedenen Instrumenten von lustiger Erfindung, wohl zusammen stimmend, wunderlieblich, nach jedem Takt und Tempo wechselnd, wie der Verlauf des Balls erheischte – was mir besonders erstaunenswürdig schien in Hinsicht auf die unzählige Verschiedenheit der Schritte, Züge, Sprünge, Retraiten, Fluchten, Rückläufe, Anfälle und Hinterhalte.
    Unter diesen Tänzen war uns die hohe Dame unmerklich verschwunden, und wir sahen sie nicht mehr. Doch wurde unser Amt als Abstraktoren ihrem Befehl gemäß zu Buch gebracht. Wir begaben uns wieder

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