Gargantua Und Pantagruel
sich verlustierten, so trat der Mönch ganz keck zu den Pilgern herzu und frug sie: »Nu, woher des Landes, ihr armen Gäuch?« – »Von Sainct Genou«, antworteten sie. – »Und wie lebt«, sprach der Mönch, »Abt Tranchelion, der gute Zecher? Wie schmeckt's den Mönchen? Beim Kreuz Gottes, während ihr auf der Romfahrt wallet, kehren sie euch die Weiber herum.« – »Na, na«, sprach Renndichmüd, »für meiner hab ich kein Sorg nit, denn wer die am Tag sieht, wird sich den Hals nicht drum brechen, daß er bei Nächten zu ihr komm.« – »Da lauft ihr schief an«, sprach der Mönch, »und wenn sie so schwarz als Proserpina wär; bei Gott, sie kriegt doch ihr Stößchen, wo Mönch im Gau sind. Ein guter Tischler bohrt alle Bohlen. Ich will die Räud han, wo ihr nicht, wenn ihr heimkommt, eure Weiber gesegneten Leibes findet; denn wo ein Klosterturm auch nur den Schatten hinwirft, da verfängt's.«
»Nun so gehet dann«, sprach Grandgoschier, »ihr armen Leut, in des allmächtigen Gottes Namen, der euer steter Geleitsmann sei; und seid hinfort nicht so geschwind zu diesem faulen, unnützen Wandern. Stehet euerm Haushalt vor, ein jeder scharf das Seine, dazu er berufen ist, zieh seine Kinder und tu, wie ihn der liebe Apostel Sankt Paulus lehret.«
Darauf führte sie Gargantua in den Saal, mit Speis und Trank sie zu erquicken, ließ ihnen auch in ihre Taschen zu essen, und Wein in ihre Flaschen tun, und gab einem jeden ein Pferd zum Ausruhen auf der übrigen Reis, nebst etlichen Karolin zur Zehrung.
Neununddreissigstes Kapitel
Wie Grandgoschier den gefangenen Starenstör glimpflich behandelt
Auch Starenstör ward Grandgoschier vorgestellt und über Pikrochols Tun und Treiben von ihm vernommen, was er mit seinem stürmischem Einfall bezweckt'. Da antwortet' er, es wär sein Vorsatz und Entschluß, das ganze Land zu erobern, wenn er könnt', wegen der seinen Weckenbäckern erwiesenen Schmach. – »Dies heiß ich zu viel unternommen«, sprach Grandgoschier, »wer zu viel faßt, hält wenig fest. Die Zeit ist nicht mehr, da man also die Land zum Schaden seines nächsten Christenbruders erobern konnte. Was weiland die Sarazenen und die Barbaren Tapferkeit hießen, das heißen wir heutzutag Raub und Gewalt. Besser hätt' er daran getan, er wär in seinem Haus geblieben und hätt' es königlich bestellt, statt daß er hie meines überfällt und feindlich plündert. Denn durch gute Bestellung hätt' er's gemehrt; durch Plünderung von meinem wird er zerstört. Ziehet hin in Gottes Namen; dient guter Sach, stellt Euerm König die Fehler vor, die Ihr nun einseht, und ratet ihm nimmer zu Euerm eigenen Nutzen; denn mit dem gemeinen gehet auch das eigne zugrund. Was Euer Lösegeld betrifft, schenk ich's Euch gar, und will auch, daß man Euch Pferd und Waffen wiedergeb. Also muß man mit alten Freunden und Nachbarn handeln, in Erwägung, daß diese unsere Fehde im Grund kein wahrer Krieg ist.«
Nachdem er diese Wort gesprochen, rief er den Mönch und frug ihn vor allen: »Bruder Jahn, mein guter Freund, habt Ihr den hier anwesenden Hauptmann Starenstör gefangengenommen?« – »Herr«, sprach der Mönch, »er steht hie selbst, auch ist er alt und verständig genug: es ist mir lieber, Ihr hört's von ihm, denn aus meinem Mund.« – Darauf antwortet' Starenstör: »Ja, Gnädigster, er ist's in Wahrheit, der mich gefangen hat, und ich geb mich ihm frei zu seinem Gefangenen.« – »Habt Ihr«, frug Grandgoschier den Mönch, »ihm ein Lösegeld genannt?« – »Nein«, sprach der Mönch, »mich kümmert dies nicht.« – »Wieviel«, sprach Grandgoschier, »wollt Ihr für ihn zum Lösegeld?« – »Nix, nix«, antwortet' der Mönch, »ich tu's nit darum.« – Alsobald ließ Grandgoschier dem Mönch im Beisein des Starenstör 62 000 Gulden für diesen Fang auszahlen, welches während dem geschah, daß man dem Starenstör den Imbiß auftrug. Grandgoschier fragt' ihn daneben, ob er bei ihm bleiben wollt' oder lieber zu seinem König wieder heimziehn. Starenstör antwortet', er wollt' tun, was er ihm riete. – »Nun«, sprach Grandgoschier, »so ziehet heim zu Euerm König, und Gott sei mit Euch.« – Schenkt' ihm darauf einen schönen Vienner Degen mit güldener Scheid, von schönem getriebenem Laubwerk und eine güldene Halskett, 702000 Mark schwer, mit edeln Steinen eingelegt, auf 160000 Dukaten an Wert geschätzt, und 10000 Taler zum Ehrenpräsent. Nach diesen Gesprächen stieg Starenstör zu Pferd. Ihm gab Gargantua zu
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