Gargantua Und Pantagruel
Äneas und Achates.«
»Gestrenger Herr«, spricht der Gesell, »mein eigentlicher und wahrer Taufnam ist Panurg, und ich komm eben aus der Türkei, wohin ich in Gefangenschaft gebracht wurde; ich wollt' Euch gern meine Fata erzählen, die wunderlicher als die Fahrten des Ulysses gewesen sind; weil es Euch aber einmal beliebt, mich bei Euch zu behalten, und ich das Erbieten gern ergreif', mit der Beteuerung, nimmer von Euch zu lassen, und wenn Ihr zu allen Teufeln ginget – so werden wir wohl ein andermal bei guter Weil und gelegenerer Zeit davon reden können. Denn für jetzt hab' ich fast dringende Essenslust, leeren Magen, scharfe Zähne, verdürrte Gurgel, brüllenden Hunger; alles ist darauf eingerichtet. Wenn Ihr mir Arbeit geben wollt, wird es ein Fest sein, mich mumpfen zu sehen. Oh, um Gottes willen, bestellt es!« – Da befahl Pantagruel, daß man ihn in sein Quartier brächt' und ihm tüchtig zu essen auftrüg; wie es auch geschah. Er aß zu Abend meisterlich, ging mit den Hühnern zu Bett und schlief bis andern Tags zur Tischstund, da er dann wieder mit drei Schritten und einem Sprung vom Bett am Tisch war. Da trank nun der arme Panurg heldenmäßig, denn er war hohl wie ein ausgenommener Rauchhering. Und wie er so in der Hälfte eines mächtigen Humpens voll Rotwein nach Luft schnappt', da ermahnt' ihn einer und sprach: »Gevatter, nur sacht! Ihr ziehet ja wie ein Besessener.« – »Zum Henker auch!« antwortet' Panurg, »ich bin keiner von euren kleinen Pariser Schluckern, die nicht mehr nippen als ein Fink und denen man erst die Schwänz muß streichen, wenn sie die Schnäbel nur netzen sollen, wie den Spatzen. Heißa Kam'rad, wenn ich so tapfer steigen könnt', als ich zu Tal laß, ich wär längst überm Mondenhimmel. Aber zum Teufel, ich weiß nicht, was dies heißen soll; es ist ein sehr guter und köstlicher Wein, aber je mehr ich davon trink, je mehr durstet's mich. Ich glaub, der Schatten des gnädigen Herrn Pantagruel macht durstige Leut, wie der Mond den Husten und Schnupfen.« – Darüber mußten alle lachen, die es hörten.
Als Pantagruel dies sah, sprach er: »Nun, Panurg, was gibt's? was lacht Ihr?« – »Gnädigster Herr«, antwortet' er, »ich erzählt' ihnen eben, wie diese armen Teufelstürken so elend dran sind, daß sie auch nicht ein Tröpflein Wein zu saufen kriegen. Wenn in des Mahomets Koran auch sonst nichts Unrechts weiter stünd', ich möcht' seinen Glauben schon darum nicht.« – »Nun aber«, sprach Pantagruel, erzählt mir, wie Ihr ihnen entkamet.« – »So helf mir Gott, gestrenger Herr«, versetzt' Panurg, »wenn ich Euch auch nur ein Wörtiein dran lüge.
Die Türkenlümmel hatten mich an den Bratspieß gesteckt, wie ein Karnickel um und um gespickt, dieweil ich so hundsdürr war, daß ohnedies mein Fleisch zäh und nicht zu essen gewesen wäre, und brieten mich solchergestalt lebendig. Derweil ich nun also gebraten ward, befahl ich mich der göttlichen Gnade, denn ich gedacht' des guten Sankt Laurentius und hoffte beständig zu Gott, daß er mich dieser Pein überheben würde, wie bald darauf auch wunderbarerweis' geschah. Denn während ich vom Grund der Seelen mich Gott befahl und rief: ›Mein Herr Gott, erlöse mich aus diesen Martern, die mir hier diese Höllenhund um deines Glaubens Befolgung antun‹ – siehe! da entschlief der Brater nach Gottes Ratschluß. Wie ich nun merk', daß er nicht mehr am Spieße drehte, schau ich ihn an und seh, er schläft. Da nehm' ich einen Feuerbrand am andern End, wo er nicht glühet, zwischen die Zähn und werf ihn meinem Bratenwender in den Schoß, und einen andern, so gut ich's treffen mocht', unter ein Feldbett, das beim Kamin stund, darauf der Strohsack meines Herrn Braters lag. Urplötzlich schlägt das Feuer zum Stroh, vom Stroh ins Bett, vom Bett ins Dach, das mit Tannenbalken verschlagen war. Das Lustigste war aber, daß das Feuer, so ich dem Strauchdieb von Bratenwender erst in den Schoß geworfen hatt, ihm schier sein ganzes Bauchhaar verbrannte; aber der Stinkhals roch's nicht eher, als bis er auch die Feuersbrunst merkte, wie ein verdutzter Bock aufsprang und was er konnt': ›Dal Baroth! dal Baroth!‹ aus dem Fenster schrie, was ›Feuer! Feuer!‹ bedeutet. Dann stürzt er geraden Weges auf mich los, denn er wollt' mich vollends ins Feuer werfen; schon hatt' er die Strick zerhauen, damit mir die Händ gebunden waren, und schnitt mir an den Beinen herum. Jetzt aber kam der Herr des Hauses auf das
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