Sternenkönig - Eine Weihnachtslegende
Häuptling Silbermond und sein Stamm lebten am Rande eines Berglandes im weiten Amerika. Eines Morgens war Silbermond schon sehr früh aufgestanden und stieg auf einen nahe gelegenen Hügel. Gerade war der Tag aufgewacht und begann die Nacht zu verjagen. Der Häuptling schaute zum Himmel empor. Allmählich verblassten die Sterne. Er wartete auf den ersten heißen Atem der Sonne, der jeden Morgen die Berggipfel fern am Horizont aufglühen ließ. Aber stattdessen erblickte er einen funkelnden Stern über den Bergen, ganz weiß und gleißend. Der Stern zog einen leuchtenden Goldschweif hinter sich her.
Der Häuptling hatte schon manche Nacht auf dem Hügel über der Siedlung zugebracht. Er kannte sich gut aus mit den Sternen, doch etwas Ähnliches hatte er zuvor nie gesehen. Er schaute und schaute, bis sich der Stern endlich hinter den Bergen niedersenkte.
Die Sonne stieg empor und der neue Tag nahm seinen Lauf. Dem Häuptling aber ging der Stern nicht mehr aus dem Sinn. Auch in der folgenden Nacht verließ Silbermond schon früh sein Haus und begab sich auf den Hügel. Er richtete den Blick zum Himmel. Und wieder zog der Stern seine weite Bahn.
Genauso geschah es in den folgenden Nächten. Da erfasste den Häuptling eine große Sehnsucht. Silbermond rief sein Volk zusammen und sagte:
»Ihr wisst es alle wohl, der, der die Sterne lenkt, hat jedem Menschen einen Stern am Himmel gegeben. Aber es ist ein neuer, ein ganz besonderer Stern aufgegangen. Er überstrahlt alle anderen Gestirne. Es muss der Stern eines mächtigen Königs sein. Ich will mich aufmachen, seinem Laufe folgen und den König der Könige suchen.«
»Wie lange wirst du fortbleiben?«, fragten ihn die Ältesten seines Stammes.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Silbermond.
Da warnten sie den Häuptling und sagten: »In der Fremde, da lauern viele Gefahren. Du solltest deinen Entschluss noch einmal überdenken!«
Silbermond antwortete: »Ich habe es mir lange überlegt. Aber eine Stimme in mir spricht: ›Folge dem Stern.‹ Ich werde dieser
Stimme gehorchen. Morgen mit dem ersten Licht breche ich auf.«
»Und was wird aus uns? Was wird aus unserem Stamm?«, fragten sie ihn.
»Solange ich fort bin, wird mein Bruder Schneller Hirsch euer Häuptling sein«, bestimmte Silbermond.
Die Ältesten wiegten nachdenklich die Köpfe, doch schließlich sagte einer: »Niemand kann die Vögel halten, wenn sie im Herbst nach den wärmeren Ländern fliegen. Lassen wir Silbermond also ziehen. Wir werden mit unseren Gedanken bei ihm sein.«
Der Stamm wollte den Häuptling nicht ohne Geschenke in die Fremde gehen lassen. Auch sollte er während der Reise an Speise und Trank keinen Mangel leiden. Es wurden Maisbrot, Trockenfleisch und drei Krüge bereitgestellt, je ein Krug mit Öl, mit Wasser und mit wildem Honig.
Zu den Geschenken für den neuen König gehörten ein Armreif aus purem Gold, ein bunt gewebter Umhang, eine Brosche aus Jade, ein weiches Bärenfell, eine Halskette aus grün schimmernden Türkisen, kunstvoll bestickte Schuhe aus Hirschkalbleder, eine warme Mütze, ganz mit Eiderdaunen ausgepolstert, und ein Beutel mit Goldkörnern. Das alles wurde drei kräftigen Lamas auf den Rücken geladen. Schließlich blieb nichts mehr zu tun.
Schneller Hirsch legte dem Bruder seine Hände auf die Schultern und sagte: »Schau nicht links, schau nicht rechts. Geh deinen Weg und scher dich nicht drum, was um dich
herum geschieht. Machst du es anders, so wirst du dein Ziel verfehlen.«
Silbermond nahm Abschied. Als er zu seiner alten Mutter kam, da legte sie ihm ihren eigenen kostbaren Halsschmuck um. Sie hatte ihn viele Jahre zuvor als Brautschmuck von ihrer Mutter bekommen. Es war eine dünne goldene Kette, an der eine kostbare Perle befestigt war.
»Hüte den Schmuck wie deinen Augapfel«, sagte die Mutter. »Wenn du einmal mutlos und traurig bist, so taste nach der Perle und sogleich wird es dir besser gehen.« Dann fügte sie leise hinzu: »Schau nach links, schau nach rechts und geh deinen Weg. Aber vergiss niemals den Menschen, der deine Hilfe nötig hat. Sonst wirst du dein Ziel nicht erreichen.«
Endlich brach Silbermond auf. Die Frauen, Männer und Kinder winkten ihm noch lange nach.
Elf Tage war Silbermond schon unterwegs. Er zog durch eine weite Ebene. Jeden Morgen sah er den weißen Stern und richtete seine Schritte nach dem Lauf dieses Gestirns. Wenn der Stern schließlich fern hinter dem Gebirge verschwand, merkte Silbermond sich genau die
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