Gargantua Und Pantagruel
essen vor, zu trinken vom besten, stark gewürzt, damit die Alten in Brunst gerieten und hitzig würden. Das End vom Lied war, sie gingen los wie alle guten Geister, und nur den allererschrecklichsten und schauderhaftesten Fratzen darunter hing ich einen Sack vors Gesicht.
Außerdem hab' ich auch mit Prozessen viel sitzen lassen.« – »Was für Prozeß konntest du haben?« frug ich ihn, »hast du doch weder Haus noch Hof.« – »Mein Freund«, sprach er, »die Jungfern hier in der Stadt hatten auf Eingebung des höllischen Feinds eine Art von Mieder oder steife Kragen erfunden von hohem Schnitt, die ihnen die Busen so verrammelten, daß man auch nicht eine Hand mehr drunter bringen konnt'; denn der Schlitz war hinten dran, und vorn alles zu. An einem schönen Dienstag nun geb' ich ein Schreiben ans Gericht ein und werf mich gegen genannte Jungfern zum Kläger auf und lege dar, wie ich dabei viel Abbruch litt. Mit einem Wort, ich hab' den Jungfern so scharf zugesetzt, daß von Rechts wegen die hohen Mieder ihnen zu tragen verboten wurden, wofern sie nicht vorn einen angemessenen Schlitz hätten. Es kostet' mich aber ein schön Stück Geld. Dann rechne noch dazu, was mich die kleinen Extrakurationen kosten, die ich den Schloßbuben immerfort aus meiner Tasche geb'.« – »Und wofür?« frug ich. – »Mein Freund«, antwortet' er, »du hast auch keinen Spaß auf der Welt; ich aber hab' dessen mehr als der König; und wenn du dich mit mir verbünden wolltest, wir würden selbst den Teufel drankriegen.« – »Nein, nein«, sagte ich, »da sei Gott vor, denn du wirst eines Tags gehangen.« – »Und du«, sprach er, »wirst eines Tags beerdigt. Was ist ehrlicher, Luft oder Erde? O armes Schaf! Hing nicht der Herr Christus selbst in der Luft?
Aber zur Sache! Derweil die Buben nun schmausen, halt ich ihnen die Maultiere und schneid unmerklich dem einen und andern die Steigriemen auf der Schrittseite entzwei, so daß sie nur noch an einem dünnen Ende hangen. Wenn dann der dicke Wanst von Rat oder was er ist im vollen Schwung aufsitzen will, fährt er Euch vor allen Leuten, wie ein Schwein, der Läng nach hin und macht uns einen Heidenspaß. Ich aber lach' noch einmal so gut, denn wenn sie erst nach Hause kommen, dann lassen sie den Monsieur Buben dreschen wie grünes Sommerkorn. Da schmerzt mich dann die Zech nicht groß, die ich für sie hab' aufgehen lassen.«
Kurz und gut: er hatte, wie schon gesagt, dreiundsechzig Mittel und Weg, sich Geld zu machen, aber deren zweihundertundvierzehn, es zu vertun, ganz abgesehen vom Humpenheben.
Neuntes Kapitel
Wie ein großer Gelehrter aus England mit Pantagruel disputieren wollt und vom Panurg überwunden ward
In eben diesen Tagen kam auch ein grundgelehrter Mann mit Namen Thaumastos auf das Gerücht und den Ruf von Pantagruels unvergleichlicher Weisheit aus England an, in der einzigen Absicht, ihn zu sehen und kennenzulernen und zu erproben, ob seine Weisheit fürwahr so groß wär', als man sie rühmt'. Gleich nach seiner Ankunft in Paris kam er ins Quartier Pantagruels, der in dem Hof Sankt Denys wohnte und mit Panurgen just zu der Zeit, im Garten spazierend, philosophische Zwiesprach hielt. Zwar bei dem ersten Eintritt schrak er vor Furcht zusammen, als er ihn so groß und stark sah, grüßte ihn aber alsbald fein höflich nach der Sitte und sprach zu ihm: »Der Ruf von deiner unschätzbaren Weisheit ist bis zu uns erschollen, darum hab' ich Vaterland, Haus, Hof und Freundschaft verlassen und hieher mich aufgemacht, nur um dich zu sehen und mich mit dir über etliche Punkte zu beraten, über die ich Zweifel hege und die mein Gemüt nicht beschwichtigen kann. Wenn du mir aber die möchtest lösen, ergeb' ich mich dir von Stund an zum Knecht, nebst meinem Samen für und für; denn andre Gaben hab' ich nicht, die ich für wichtig achten möcht', es dir zu lohnen.
Nur aber merke dir die Art, wie ich zu disputieren meine: durch Zeichen nämlich allein, ohn alle Worte, weil es sich um so subtile Materien handelt, daß keine menschliche Sprache imstand ist, sie auszudrücken wie ich möchte.«
Auf diese Rede antwortete ihm Pantagruel geziemend und sprach: »Lieber Herr, von den Gaben, die ich von Gott empfangen hab', möcht' ich, soviel an mir ist, niemandem mitzuteilen mich weigern. Die Art der Unterredung, die du erkoren hast, lob' ich höchlich, nämlich durch Zeichen ohne Worte; denn damit werden du und ich einander verstehen, unbelästigt von diesem albernen
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