Garnet Lacey 05 - Das bisschen Flitterwochen
konnte.
»Was sind das eigentlich für Typen?«, fragte ich Dominguez, während der Kellner in einen Wagen gesetzt und ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen wurde.
Der FBI-Agent sah mich an, als hätte ich einen Witz gerissen. »Ihre Entführer, oder nicht?«
»Eher nicht«, erklärte ich. »Meine Entführer waren ein paar schräge Vögel mit Lockenkopf und mit politischen Botschaften auf ihren T-Shirts. Auf ihre Art sogar ganz süß, aber kein Vergleich zu dem Kellner.«
»Ganz sicher?«
Na ja, ganz sicher eigentlich nicht. »Okay, ich habe meine Entführer nicht gesehen, weil ich die Augen geschlossen hatte. Doch ich gehe davon aus, dass es dieselben Typen waren, die mich im Parkhaus überfallen wollten. Allerdings hatte ich von denen eigentlich nur diese T-Shirts halbwegs deutlich gesehen.«
»Mit anderen Worten, das hier könnten die Entführer sein.«
Ich sah zu William und Mátyás, die in ihrem Wagen saßen, und seufzte leise. »Ich weiß nicht. Es kommt mir nur nicht so vor, als wären sie es.«
»Kommen Sie mir jetzt nicht damit, wie sich irgendwas anfühlt. Das sind die Kerle, hinter denen ich her war«, ließ Dominguez mich in sachlichem Tonfall wissen. »Die leiten diese Vampirjäger-Bewegung, die mit James Smythe zusammenarbeitet. Aus der Ecke wird Ihnen niemand mehr Ärger machen.«
Er klang so felsenfest überzeugt, dass ich es nicht übers Herz brachte, ihm zu widersprechen. »Okay«, stimmte ich ihm also schulterzuckend zu.
»Ah, das hätte ich ja fast vergessen. Sebastian ist auf Kaution freigelassen worden. Er wartet auf Sie.«
Wir trafen uns mit Sebastian in einem beengten jüdischen Restaurant, das sich gegenüber einer Universität für katholische Frauen befand.
Das Lokal war Teil eines Lebensmittelgeschäfts. Die Tischplatten waren aus Formica, die Stühle hätten geradewegs aus einem Café aus den Fünfzigern stammen können. An den Wänden hingen riesige professionelle Fotos, die vermutlich die Familie des Eigentümers zeigten.
Sebastian wirkte ein bisschen mitgenommen - etwas zu schmal, dazu hatte er dunkle Ringe unter den Augen -, doch als er uns sah, hellte sich seine Miene auf. Mátyás, William und ich umarmten ihn alle gleichzeitig.
Im Verlauf mehrerer Tassen Kaffee brachten wir uns gegenseitig auf den neuesten Stand der Dinge. Wie sich herausstellte, hatte Sebastians Anwältin James davon überzeugen können, ein Geständnis abzulegen. Das in Verbindung mit der mitgeführten Waffe und dem in Minnesota geltenden Gesetz gegen Stalking hatte ausgereicht, um ihn nach Großbritannien auszuweisen.
Sebastian war ein wenig schockiert, als er erfuhr, was wir so getrieben hatten.
»Sie haben auf dich geschossen, Garnet?«, wiederholte er fassungslos, dann sagte er etwas in der Sprache der Roma, das Mátyás zum Lachen brachte.
Mahnend hob ich den Zeigefinger. »Diese Sprache wirst du mir so schnell wie möglich beibringen.«
»O ja«, warf William ein. »Es wäre nämlich gut gewesen, wenn wir vorgewarnt gewesen wären, dass Mátyás seine Unsterblichkeit opfern würde.«
Gerade noch hatte Sebastian seinen Sohn verschmitzt angelächelt, aber jetzt wurde er bleich. »Was hast du gemacht?«
Mátyás zuckte lässig mit den Schultern. »Ach, Papa, komm schon. Dieses ewige Leben ist mit so viel Ärger verbunden, dass ich froh bin, damit nichts mehr zu tun zu haben. Jetzt kann ich älter werden ...«
»Und sterben«, beendete Sebastian den Satz für seinen Sohn mit Grabesstimme, als wäre Mátyás bereits tot.
Es war eigenartig, aber ich glaube, außer Sebastian hatte sich keiner von uns vor Augen gehalten, welche Folgen dieses Opfer haben würde. William riss die Augen weit auf, ich hielt vor Schreck die Hand vor den Mund. Mátyás versuchte, das Ganze gelassen zu sehen, doch mir entging nicht, dass seine Hand, mit der er den Kaffeebecher festhielt, zitterte.
»Jeder stirbt irgendwann mal«, meinte er schniefend. »Das ist ganz natürlich, Papa.«
»Natürlich ist es, wenn der Vater vor seinem Sohn stirbt, aber nicht umgekehrt, und schon gar nicht Jahrhunderte nach ihm.«
»Oh, Sebastian«, sagte ich. »Es tut mir ja so leid!«
Doch er wollte sich nicht trösten lassen, sondern stand auf und entfernte sich von unserem Tisch. William und mir blieb nichts anderes zu tun, als Mátyás anzusehen.
»Bist du wirklich bereit zu sterben?«, wollte William wissen.
»Natürlich nicht, Dummkopf«, gab Mátyás etwas sehr schroff zurück. »In nächster Zeit habe ich das sowieso
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