Garnet Lacey 05 - Das bisschen Flitterwochen
ausgesucht«, murmelte ich. Die Kälte durchdrang allmählich meinen Mantel. »Gerade jetzt hätten wir ein bisschen Unverwundbarkeit gut gebrauchen können.«
»Allerdings«, stimmte William zu, der sein Kinn in den Schnee drückte. »Oder ein bisschen Projektilmagie.«
Das brachte mich auf eine Idee. Ich konnte den Angreifern keine Magie entgegenschleudern, doch wie war’s mit ein paar Geistern?
Vielleicht konnten die den Schützen lange genug ablenken, damit Dominguez ihn erreichen und entwaffnen konnte oder was FBI-Leute wie er halt in solchen Situationen machten. Ich dankte der Göttin dafür, dass er übersinnlich veranlagt war, und schickte einen Gedanken in seine Richtung, damit er wusste, wie mein Plan aussah.
»Du machst doch gerade irgendwas, nicht wahr?«, fragte William, dem offenbar meine angestrengte Miene aufgefallen war.
»Ich denke ganz intensiv an Dominguez«, sagte ich. »Und dann werde ich sehen, ob ich den Kerlen nicht ein paar Geister auf den Hals hetzen kann.«
»Wir könnten dabei mithelfen«, schlug Mátyás vor, der mir seine Hand und seine magische Energie anbot.
»Ja, genau«, pflichtete William ihm bei und griff ebenfalls nach meiner Hand.
Na, hatte ich gute Freunde oder nicht?
Ironischerweise wusste ich, in der Nähe hielten sich rastlose Geister auf. Okay, nach dem Fund der vatikanischen Hexenjäger waren deren Leichen zwar zweifellos weggebracht worden, doch traumatische Erlebnisse konnten eine Seele in der Nähe des Ortes verharren lassen, an dem die betreffende Person ums Leben gekommen war. Vielleicht konnte ich sie herrufen.
Im Geiste kehrte ich in jene Nacht zurück, als Parrish und ich kurz vor der Schließung des Haupttors mit seinem Van auf den Friedhof gefahren waren. Es war Herbst gewesen, und die Bäume hatten fast genauso kahl und schwarz vor dem sich verfinsternden Himmel ausgesehen. Damals saß ich auf dem Beifahrersitz und flüsterte immer wieder von Neuem: »O Gott, sie sind tot. Meine Freunde ... sie sind tatsächlich tot.«
Parrish war mein Fels in der Brandung gewesen, er hatte mir Halt gegeben. Er stellte keine Fragen, sondern lieferte mir Antworten und versicherte mir immer wieder aufs Neue, dass alles gut ausgehen würde. Wir hatten genau da drüben angehalten, auf der anderen Seite des Sees. Parrish hatte die in Müllsäcke gewickelten und mit Kies beschwerten Toten nacheinander in den See getragen, wo sie im kalten schwarzen Wasser versanken, bis niemand sie mehr sehen konnte.
Diese Toten forderte ich jetzt auf, sich zu erheben und mich heimzusuchen, egal, wo ihre Leichen nun waren.
William formte mit den Händen einen recht großen Schneeball, legte ihn zur Seite und begann den nächsten. Mátyás lächelte ihn flüchtig an, dann widmete er sich der gleichen Betätigung.
Vom See her hörte ich ein lautes Platschen - wie von einem Fisch, der durch die Eisdecke hindurch in die Luft sprang. Als ich mich umschaute, sah ich, dass sich so etwas wie eine feine Dampfwolke über die dünne Eisschicht in unsere Richtung bewegte.
Der stets empfindsame Mátyás drehte sich um und verfolgte das Vorrücken der Rauchgeschöpfe, deren Ranken sich wie forschende Hände ausstreckten. Missbilligend sah er mich an, schüttelte den Kopf und meinte: »Ehrlich gesagt, ich hätte etwas nicht ganz so Zorniges ausgewählt.«
Daraufhin drehte sich William um und wollte zuerst seinen Augen nicht trauen. »O Mann!«
»Wir werden sie auf die Schurken hetzen, die auf uns schießen«, sagte ich den Jungs.
»Sofern sie sich auf diese Kerle hetzen lassen wollen«, gab Mátyás skeptisch zu bedenken.
Mit dem Ellbogen stieß ich ihm in die Rippen. »Denk verdammt noch mal positiv!«
Gesichter bildeten sich; riesige offene Mäuler stießen stumme Schreie aus. Wie Wolken lösten sich die Bilder dann gleich wieder in nichts auf, nur um Augenblicke später als noch erschreckendere Fratzen neu zu entstehen.
Panik regte sich in mir, aber dann fiel mir ein, wie sanft und freundlich Lilith zuvor mit jenen Geistern umgegangen war, die sich IHR genähert hatten. Dies hier waren die Geister, die ich geschaffen hatte. Also konnte ich sie kontrollieren, und genau das sollte ich auch tun.
Wenn ich die Tatsache akzeptierte, dass Lilith ein Spiegelbild der Göttin in mir war, dann bedeutete das auch, dass meine innere Magie an Orten wie dunklen Gassen, Höllengruben und Friedhöfen in Erscheinung trat.
Mit niedlichen Einhörnern brauchte ich gar nicht erst zu rechnen.
In diesem Moment
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