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Gartengeschichten

Gartengeschichten

Titel: Gartengeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Demski
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Winter anschauen, denn es beherbergt ausschließlich winterharte Kamelien. Dicht sind sie gepflanzt und durch einen Staketenzaun geschützt. Wahrscheinlich ein Sammler. Kamelienliebhaber lassen sich meiner Erfahrung nach durch nichts von ihrer Liebe abbringen, auch nicht durch die Kürze und Zerbrechlichkeit ihres Glücks. Schon im nächsten Garten, vier Meter weiter, ist alles anders. Ein halbhohes Mäuerchen erlaubt ungehindert den Blick in einen Jahreszeitengarten von nicht mehr als zwölf Quadratmetern. Der Besitzer war sich der Höhe seines Grundstücks wohl bewußt und läßt alles klettern, der Boden gehört dem Frühling, man sieht noch die Reste der Zwiebelblumen, wild durcheinander Schneeglöckchen, Traubenhyazinthen, und da sind die großen Fächerblätter, zu denen sich die bescheidenen gelben Winterlinge entwickeln. Rosen und Geißblatt,Glyzinie und Clematis treiben den Sommer bis zum Dach hinauf, und für den Herbst steht da ein Ginkgo biloba. Er ist ein bißchen staksig, dazu neigen Ginkgobäume leider. Aber sein Gold wird im Herbst über diesem winzigen Garten lodern. Und für den Winter hat der kluge Vorgärtner offenbar verschiedene Gräser ausersehen. Nichts ist bezaubernder als Rauhreif auf Gräsern.
    Vorgärten erzählen viel, wenn man sie richtig zu lesen versteht. Wo jemand alt ist oder krank zum Beispiel und daß auch zwölf Quadratmeter zur unermeßlichen Mühsal werden können. Da wächst dann nur noch zähes Zeug, und Unglücksgewinnler machen sich breit. Zum Beispiel die Mahonie, die ist so ein Profiteur, wenn sich jemand nicht mehr wehren kann. Eigentlich hübsch, dunkelgrüne, stachelige Blätter, die sich manchmal ins Knallrote verfärben, nach Honig duftende gelbe Blütentrauben. Der Geruch ist ein kleines bißchen eklig, wie manche Süßigkeiten. Überall geht sie hin, die Mahonie. Weidenröschen machen das auch, die sind sogar sehr hübsch, zart, hoch und rosa. Trotzdem sind sie Geierpflanzen, die sich mit Vorliebe auf sterbende Gärten setzen. Und auch die Eichhörnchensaat, Nußbaum- und Ahornschößlinge, gedeiht dort ungehindert.
    Kleine Vorgärten können auch ganz anders sterben, sie können am falschen Prunk eingehen. Handgeschmiedeter Zaun, Zierkiesel, rechts und links Dreihundert-Euro-Buchse und als Blickfang ein japanischer Fächerahorn in der Mitte.
    Steine im Vorgarten sind schön. Steine im Vorgarten sind scheußlich. Wer sich die Angebote der Vorgartengestaltungsindustrie anschaut, neigt eher zur zweiten Meinung. Steinerne Brachiallösungen für kleinsten Raum kommen immer mehr in Mode, und wieder heißen sie pflegeleicht. Mauern, Stufen, Abgrenzungen, Kübel, und das möglichst in einemDutzend verschiedener Steinformen und -farben, damit der Eindruck von Üppigkeit entsteht. Gemustertes Pflaster, rotgefärbter, auf Terrakotta getrimmter Beton in halbrunden Formen, der als Zerrbild eines Steingartens dient – nichts ist zu häßlich, als daß es nicht verbaut würde. Man muß aber, wenn man dem Stein Einlaß in seinen Vorgarten gewährt, immer wissen: Er verhindert Wachstum. Er versiegelt Erde. Er hält ihr gewissermaßen den Mund zu. Und nichts kann trostloser aussehen als ein zugepflasterter Garten, dessen Besitzer das mit der Pflegeleichtigkeit so verstanden hat, daß er sich nie mehr zu kümmern braucht. Für einen Weg, eine kleine Begrenzung, ein Spiel mit verschiedenen Ebenen, für die Strukturierung eines ansteigenden oder abfallenden Bodenstücks ist er unschätzbar. Aber lieber Naturstein aus der Gegend nehmen und nicht die Sonderangebotspalette der einschlägigen Großmärkte. Es geht auch, wie so oft, ums Altern. Naturstein bekommt eine schöne Patina, Kunststein oft eine häßliche. Seltsam düsteres Moos macht sich breit, kränkliche Flecken erscheinen, selbst engste Fugen können nicht verhindern, daß sich unter dem Pflaster der Strand regt und sich manchmal etwas ans Tageslicht quetscht. Meistens ist es nichts Hübsches, sondern nur mitleiderregend. Aber selbst eine Distel oder einen Birkenschößling sehe ich in diesen versiegelten Gärten mit Rührung. Natürlich weiß ich, wie schwach das ganze martialische Westwallgetue in Wirklichkeit ist. Das, was drunter ist, lebt ewig und gewinnt letztlich.
    Das kann man auch gleich haben und sogar fördern, indem man Stein und Pflanzen einander ergänzen läßt. Am schönsten geht das mit Polstern aller Art, weil die bauschige Struktur von Blaukissen, Polsterphlox, gelbem Ageratum und Moosen die harten Konturen

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