Gartengeschichten
kreuzungsfreien Straßenführungen, diese Verkehrsflußdichten, diese Sanierungen, diese Umgehungsstraßen, diese städtebaulichen Akzente, diese Südbalkone, Balkone überhaupt meint er. Diese Fußgängerpassagen sind, was er meint, diese Zweifamilienhäuser, diese Rasenmäher, diese Astern-, Dahlien-, Fuchsienstraßen, diese Rudyard-Kipling-Wege, diese Schmucktannen sind es, diese Taxushecken, diese ausklappbaren Gartenmöbel –
Keinen Platz können sie in diesem Szenario finden, die Birken, soviel ist klar. Sie machen Schmutz, sie sind unbescheiden, vielleicht hat das eine mit dem anderen mehr zu tun, als man denkt. Es sind die eher leichtsinnig aussehenden Bäume, die man mit Macht aus der städtischen oder vorstädtischen Ordnung verbannen will, auch Lärchen gehören dazu. Der herbstliche Nadelteppich macht sie unbeliebt, dabei sind sie doch die einzigen Nadelbäume – sie sind keine wirklichen, sehen aber so aus –, die Fröhlichkeit ausstrahlen. Also die muß da weg, da haben wir doch unseren Carport! Vor allem Autobesitzer wollen dem Naturschmutz mit aller Macht Einhalt gebieten. Im Frühling und im Herbst ist der Wagen unerträglichen Dreckattacken ausgesetzt, Schmiere aus Pollen, eine Kruste aus unbekanntem Baumauswurf, Vogelscheiße, die Natur verdreckt von oben das wichtigste Eigentum. Auch deswegen sollten Bäume nicht sein, wo Autos ihren Ruheplatz haben, denn wenn keine Bäume da sind, können sich auch keine Vögel draufsetzen. Dreck zieht Dreck nach sich, das weiß jeder, der wenigstens in seinem Garten zeigen will, wie ein sauberes Universum aussehen könnte. Es ist ein ständigerKampf. Dabei stören Thujen, Taxus und das, was Enzensberger Schmucktannen nennt, nicht so empfindlich, vor allem, wenn sie im Zaum gehalten werden.
Vielleicht hat es mit einem kleinen eingetrockneten Geflecht angefangen, das von irgendwo heruntergekommen ist wie eine Flocke isländisches Moos. Das lag eine Weile da, dann ist es aufgegangen, hat Fäden ausgestreckt, seine Ausläufer sind immer länger und dünner geworden, immer stoffloser, sie haben sich an alles hingemacht, sich überall und in jeden hineingestreckt, im Schlaf, beim Sonnenbaden, sie tun nicht weh, sie jucken manchmal ein wenig, ab und zu bekommt einer einen Ausschlag, den niemand erklären kann.
Auch diese Art Schmutz gedeiht im Garten, und die Assoziationen, die das Wort Flechte hervorruft, sind unangenehm. Flechten wachsen an Baumstämmen, auf dem Boden, auf Steinen, sie sind schön und eklig zugleich. An Flechten auf der Haut muß man denken, obwohl man das gar nicht will. Moose und Flechten sind auch irgendwie Schmutz und zeigen sich, wo sie nicht sein sollten, wo man sie nicht sehen will, in der Garageneinfahrt oder auf der Terrasse. Auf Grabsteinen sind sie vielleicht in Ordnung, aber doch nicht auf den Steinen, auf denen wir leben. Es gibt allerdings Menschen, die diesen Grabesbewuchs auch auf dem Friedhof nicht haben wollen, grade da nicht. Sie bekämpfen im letzten kleinen Garten, den der Mensch bekommt, jeden beginnenden Schmutz. Tote Blätter müssen weg, weh dem, der sein Grab unter Birken gefunden hat! Auch die Pflanzen, die Stiefmütterchen und Katzenpfötchen und die Fleißigen Lieschen werden entfernt, bevor sie verwelken oder gar sterben. Gräber sollen lebendig aussehen.
Für Furchtlose und Fatalisten ist Moos etwas Herrliches. Immerhin sieht es im Rasen wenigstens grün aus, vor allem,wenn man die Brille nicht aufhat. Für ordnungsliebende Gärtner aber ist es der Inbegriff des Rasenschmutzes. Auch mit dem Moos wird der Kampf niemals enden, aber so ist es mit jedem Schmutz, es gibt nur Etappensiege.
Vom Moos zum Wasser ist es nur ein kurzer Schritt. Auf feuchtem Stein gedeiht Moos besonders schön. Wer es genau anschaut, sieht, daß es aus Tausenden von winzigen Bäumchen besteht, mit Stämmen und Kronen, gefiedert oder mit kleinen Blüten. Es gibt unzählige Sorten, auf einem halben Quadratmeter kann ein veritabler Mischwald wachsen. Im Gartencenter gehören seinen Bekämpfern mehrere Meter Regal. Noch viel mehr Regalmeter enthalten Mittel gegen den Wasserdreck. Jeder möchte gern Wasser im Garten haben, allerdings ohne Schmutz. Das ist fast unmöglich, aber eine ganze Industrie lebt vom Kampf.
Ein Becken, ein Brunnen, eine kleine Kaskade, nichts ist bezaubernder. Das Ideal ist glasklares Wasser, durchsichtig bis zu den sauberen Steinen oder Fliesen auf dem Grund, starkfarbige Fische, die aus der Hand fressen, schwimmende
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