Gartengeschichten
der Steine so schön mildert, dieSteine aber wiederum verhindern, daß ein Blumenbrei entsteht. Suckulenten machen sich, wenn genügend Sonne da ist, auch wunderbar, sie gehören zu Naturstein und Ziegel wie die Reiher zum Nashorn.
Viele Vorgärten liegen nach Nordosten, haben also eher wenig Sonne. Das Hypericum – Johanniskraut – soll verdunkelte Seelen aufhellen können, als Naturheilmittel ist es sehr beliebt. Ob es wirklich hilft, kann ich nicht sagen. Daß es aber sehr geeignet ist, dunkle Vorgärten aufzuhellen, steht außer Frage. Alle seine Sorten setzen unverdrossen leuchtende gelbe Blütenakzente, auch wenn die Büsche keine Sonne haben. Im ersten Jahr nach dem Pflanzen tut sich oft noch nichts, da muß man genug gießen, bis die Büsche sich acklimatisiert haben. Danach werden sie prachtvolle Gewächse, auch die Fruchtstände mit den orange oder roten Beeren sehen schön aus. Man kann im Schatten auch Funkien gut als Lichter benutzen, am besten die Sorten mit den hellen oder weißgeränderten Blättern. Wer es unbedingt mit Farnen probieren will – bitte. Sie sind Alles-oder-nichts-Pflanzen, sie mickern entweder oder wuchern alles zu. Und Vorgärten voller Farne sehen aus, als hätte man ein Stück Wald gestohlen. So darf er natürlich aussehen, der kurze oder längere Weg ins Haus: Wald, Wiese, Rosengarten, Versailles, Steinwüste, Chaos, Ordnung, Zuversicht, Resignation – was immer wir da pflanzen, erzählt etwas über uns. Nicht jeder, der uns besucht, merkt das. Aber sie ist da, die Geschichte vor unserem Haus. Willkommen, sagt sie. Manchmal auch: Bleiben Sie mir vom Leib! Aber die meisten hören gar nicht zu.
Kleinerer Versuch über den Schmutz
»wie das aus den Knollen fährt und ins Kraut schießt und sich dann im Beet drängelt und einander abwürgt, also vielen Dank«
Christian Enzensberger
Einen Garten ohne Schmutz gibt es nicht. Und nicht nur das: Ein Garten ist die beständige Erinnerung daran, daß alles Schöne sich in Dreck verwandelt, und das manchmal erstaunlich schnell. Schmutz ist Moden unterworfen wie alles andere auch. Meistens sind die Zeiten um so ablehnender, je mehr Dreck sich vorher angesammelt hatte.
Die fünfziger und sechziger Jahre galten als sauberkeitsverrückt, keine dunklen Ecken mehr, kein Unterholz im Garten, man zeigte, daß man nichts zu verbergen hatte. 1968 wurde der Schmutz, nicht zuletzt durch Christian Enzensbergers Buch Größerer Versuch über den Schmutz , rehabilitiert, es folgte eine Diktatur der Dreckecken, des Wildwuchses, der Anarchie. Wer putzte, beschnitt und Unkraut rupfte, hatte in der damaligen Jetztzeit nichts verloren. Aus dem Schmutz stieg der Phönix der Wahrheit. Die hygienischen Abenteuer studentischer Wohngemeinschaften wurden zur Legende. In den dazugehörigen Gärten durfte alles machen, was es wollte, auch das Vogelfutter, das zu Schwarzem Nordendler gedieh. Gleichzeitig streckten Naturliebhaber ihre ersten zarten Wurzeln aus, mit einem Enthusiasmus, als sei zum erstenmal auf Erden die unbefleckte Empfängnis einer echten Rübe, einer echten Kartoffel möglich. Die Generation davor war froh gewesen, daß Rüben und Kartoffeln nicht mehr selbst aus dem Dreck gezogen werden mußten, sondern in Plastikfolie verpackt die Hände sauber ließen.
Jeder von uns kommt mit einer Dosis Reinheit zur Welt, deren Bestimmung es ist, herabgesetzt zu werden durch jene Versündigung an der Einsamkeit, die der Umgang mit den Menschen bedeutet.
Enzensbergers Vermutung bringt einen darauf, zu denken, was einem zuvor nicht eingefallen wäre: Das Zusammenrotten, die Gruppe, das Verklammertsein mit anderen nimmt die Reinheit weg. Vorher: Viel Zusammenrottung, viel Dreck. Dann: Vereinzelung, Saubermachen, Sauberhalten. Dann, mit der überschätzten kleinen Revolte von 1968, hält die Gruppe, hält der Schmutz erneut Einzug. Und danach wieder die allmähliche Loslösung des einen vom anderen, und die Herrschaft des Schmutzes fand erst einmal ein Ende. Irgendwann ernteten die Naturanbeter, die der Brennessel und anderem Pflanzenschmutz in ihren Gärten Asyl gewährten, nur noch achselzuckenden Spott. Das mache man nicht mehr, das sei gestrig. Der Respekt vor dem Schmutz – oder gar die Freude an ihm – sei nichts anderes als getarnte Faulheit. Ordnung war wieder angesagt, auch in den Gärten. Es half nichts mehr, jedes vernachlässigte Eck zum Biotop zu erklären, aber eins war doch übriggeblieben: Die Chemie behielt ihre schlechten Karten. An ihre
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