Gartengeschichten
untergebrachten Gartenliebhabers senkt sich schmetterlingsleicht auf dieses oder jenes Gewächs hernieder, bleibt ein bißchen sitzen und fliegt dann wieder davon. Manchmal aber verharrt er, und gleich Träumen erscheinenBilder, wie es zum Beispiel wäre, vor die strenge Dunkelheit des Taxus die Helligkeit von Herbstanemonen oder Nieswurz zu setzen? Oder die tote Ecke – jeder Garten hat irgendeine tote Ecke – mit Hypericum und Helleborus zum Leben zu erwecken? Beides ist dankbar, wenn man es in den ersten Jahren gut gießt, bis es verwildert und sich selber helfen kann. Oder doch Herbstanemonen? Während der faulenzende Gärtner oder die Gärtnerin an die wachsweißen und rosenholzfarbenen Blüten denkt, die vielleicht eines Tages vor der Eibe schweben werden, fällt der Krimi aus den Händen, und der Gartenschlaf kommt, ein völlig anderer ist das als der im Bett. Im Schlaf werden wir mit unserem Garten eins, hängen da wie eine zu groß geratene Raupenpuppe, ein Teil des Ganzen. Schön. Wenn nicht irgend jemand ruft: Kannst du mir grade mal den Sack Rindenmulch hier rübertragen?
Gärten sind, wir haben es gesehen, imstande, sogar aus den sieben Todsünden der alten Zeit Gutes zu treiben. Bis auf eine kann man sie alle ohne Sorge wachsen lassen. Wenn Hochmut ins Kraut schießt, zähmt ihn der Neid, Wollust besänftigt den Zorn, die schöne Sünde Faulheit läßt die Völlerei vergessen. Nur der Geiz – er ist wahrhaftig des Teufels, er muß ausgerissen und verbrannt werden, man darf ihn nicht bloß auf den Kompost werfen, da treibt er nämlich aus, oder er vergiftet, was gut und brauchbar ist. Eigentlich ist er die einzige der Todsünden, die eine bleibt. Im Garten und überall sonst.
Vorgärten
»Lauter Unfaßlichkeiten / von denen nichts bleibt / als ein Verwundern dessen / den der kapitale Beton / entbarg: ›Der Städter / in der Natur‹«
Günter Kunert
Es gibt zu allem, was Gärten betrifft, unbeugsame Meinungen und Wörter, um die man kaum herumkommt. So wird zum Beispiel jedes kleine grüne Inferno zum Paradies erklärt. Ebensooft nennen Gartengurus einen Vorgarten »Visitenkarte«. Das ist Unsinn. Ein Vorgarten ist vieles, aber keine Visitenkarte.
Vorgärten sind Umarmungen oder Abwehr, Gleichgültigkeit oder Angeberei, Unter- oder Übertreibung, blinde Gefolgschaft für allerlei Moden – und vor allem sind sie eine gefährdete Spezies. Viele von ihnen sind schon spurlos unter Straßenbelag verschwunden oder Parkplätzen gewichen. Der Rentabilität halber quetschen moderne Bauherren ihre Hervorbringungen so dicht an die Straße, daß höchstens noch ein Löwenzahn an der Mauer Platz hat. So werden unnütze Schwierigkeiten vermieden. Wo nichts ist, braucht sich niemand über Gestaltung und Pflege Gedanken zu machen. Wir reden von öffentlichen Vorgärten, zu den privaten kommen wir später. Öffentliche Vorgärten sind die, für die einst der scheußliche Begriff pflegeleichte Bodendecker erfunden worden ist. Diese stacheligen Niedriggewächse verschwinden allmählich, weil sich herumgesprochen hat, daß sie in Verbindung mit weggeworfenen Hamburgerbrötchen oder Chips für Freude und Fruchtbarkeit bei den Stadtratten sorgen. Vorgärten von Mietshäusern sind umkämpftes Gelände, weil in ihnen Fahrräder, Kinderwagen, Sandkisten oder– von der Ästhetenfraktion – Blumenkübel und Buchskugeln Heimstatt finden sollen. Außerdem mögen Hunde Vorgärten sehr, wenn sich ihnen nicht ordentliche Zäune oder Hecken in den Weg stellen.
Die deutlichste Aussage, die deutsche Mietshausvorgärten machen, ist: Hier wohnen Mülltonnen. Wenn nur der Bepflanzung, Nutzung und Pflege der Vorgärten ein Bruchteil jener Phantasie gälte, die für Behausungen von Abfalltonnen aufgewendet wird. Umrankte Hüttchen und bauhausartige Unterkünfte für die sogenannten Wertstoffbehälter, es sieht aus, als wären sie der einzig stichhaltige Grund, überhaupt so etwas wie einen Vorgarten zu haben.
Der zweite Wilhelm, deutscher Kaiser, der sich ja in alles eingemischt hat, wollte Magnolienbäume durchsetzen. Chausseeseits.
Magnolienbäume kommen tatsächlich in manchen Straßenzügen gehäuft vor, und das ist im Frühjahr ein wundervoller Anblick. Eine Magnolienstraße, mit alten Bäumen, kann für Wochen immer neue Jubelrufe bei Passanten auslösen. Allerdings macht ein einziger winziger Nachtfrost aus dem Traum einen Alptraum, an den Bäumen hängen dann braune, traurige Putzlappen. Meistens aber sieht man
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