Gartengeschichten
Pückler-Muskau an seine Frau
Die Geschichte der geschiedenen Eheleute Hermann und Lucie von Pückler-Muskau, des sogenannten grünen Fürsten und seiner neun Jahre älteren Lebensliebe, können wir hier nicht erzählen, sie ist zu verzweigt. Geschieden waren sie, weil der Fürst wegen seines Landschaftsgartens pleite gegangen war und sich nach einer reichen Frau umschauen wollte. Das tat der Liebe zwischen den beiden keinen Abbruch, Geld wurde aufgetrieben, nicht durch eine neue Gattin, sondern durch die Veröffentlichung der wunderbaren Briefe an die alte. Die hatte sie ihren Freunden Varnhagen vorgelesen, woraufhin eine Edition entstand. Goethe schrieb eine Eloge darüber, und das Buch wurde ein Bestseller.
Hermann und Lucie von Pückler-Muskau könnten, wäre dies hier ein Gemälde, über allen anderen Gartenehepaaren schweben wie Stifterfiguren, sie sollen ihnen Segen spenden für die paarweise Gartenarbeit, denn die hat Segen dringend nötig. Vor allem den Segen so nachhaltig und glücklich Gartenverrückter.
Die problemlosesten Gärten sind die geschriebenen, auch die gemalten. Was geschriebene Gärten angeht, war der Fürst unstreitig ein Meister. Und anders als Kafkas geschriebene Küsse , die nicht ankommen, weil sie von den Gespenstern auf dem Wege ausgetrunken werden, sind geschriebeneGärten von großer Haltbarkeit, sie machen keine Sorgen, nur Freude, man kann sie jederzeit besuchen, sommers wie winters. Besitzverhältnisse gelten nicht mehr, Dürre und Überschwemmung bleiben ihnen erspart, weder Kriege noch Grenzen können ihnen gefährlich werden. Geschriebene Gärten, das wußte der Gartenfürst, kann man leicht in seinen Besitz bringen, und genau das tat er mit seinen Briefen an Lucie. Er legte ihr Gärten zu Füßen. Nicht bekannt ist, ob Hermann und Lucie von Pückler-Muskau je über das Beschneiden eines Baumes oder die Anlage eines Beetes gestritten haben. Dieses verwegene Gartenpaar, das in die Biedermeierzeit nicht recht passen wollte, machte es richtig: Die Idee des Gartens kann vereinen, nicht unbedingt die Praxis. Vielleicht wußten sie das.
Die Geschichte berühmter Gartenpaare zeigt, daß es wichtig ist, die Idee dem männlichen Part unter keinen Umständen streitig zu machen. Die Architektur eines Gartens – und auch der kleinste, oder grade der, braucht eine – obliegt dem Mann. Es ist sehr wichtig, ihn das glauben zu lassen. Architektur heißt, um den männlichen Teil eines ebenfalls berühmten Gartenpaares zu zitieren: zuerst der strukturelle Entwurf, dann Bäume und Hecken, anschließend der Rasen und die kleinere Bepflanzung .
Was Harold Nicolson da für die fast dreißigtausend Quadratmeter festlegt, die jener Garten, der nach Befreiung schrie, umfaßte, gilt im Prinzip auch für die hundert Quadratmeter, die manche von uns unentdeckt hinter dem Haus haben. Nach Befreiung schreien die auch oft. Bei ihm, dem Ehemann von Vita Sackville-West, einer wahren und wunderbaren Gartendomina, ging es um Sissinghurst in der Grafschaft Kent. Über diesen Garten zu schreiben hieße, Nußbäume dorthin zu pflanzen, denn davon gibt es dort so viele, wie esmittlerweile Beschreibungen von Sissinghurst gibt. Wenn man sich dem männlichen und dem weiblichen Teil der Gartenliebe zuwendet und den Wandlungen und Vertauschungen, denen sie unterworfen ist, kommt man ohne das Paar Harold Nicolson und Vita Sackville-West nicht aus. Ihnen war eigen, daß beide Weibliches und Männliches zu ziemlich gleichen Teilen in sich trugen. Sie waren nicht nur das platonische Ideal der zwei Hälften des auseinandergerissenen Menschenwesens, die sich gefunden hatten, sondern vereinten alle vier Teile, Geschlecht und Gegengeschlecht, und das, mit allen notwendigen Fluchten und Eskapaden, einander unerschütterlich liebend verbunden. Er liebte Vita, Sissinghurst und Männer, sie liebte Harold, Sissinghurst und Frauen. Nigel Nicolson, beider Sohn, hat, als er schon erwachsen war, gesagt, daß ein Buch über den Garten von Sissinghurst, sollte es einst geschrieben werden, Portrait einer Ehe heißen könnte, genauso wie die Biographie über seine Eltern. Denn das sei dieser Garten, das Portrait der Ehe von Harold und Vita.
Wenn Paare sich gemeinsam einem Garten zuwenden, wird auf irgendeine Weise ihr Portrait entstehen, gleichgültig, um welche Art Garten es sich handelt. Das gilt aber nur, wenn sich wirklich beide auf ihr Stück Erde einlassen und die Sache mehr ist als der gefürchtete samstägliche Ruf: Sag Papa,
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