Gartengeschichten
Dialog über eine rotgewordene Johannisbeere oder die erste Daturaknospe des Jahres führen. Daturen sorgen übrigens immer für Gesprächsstoff, weil sie gefräßig und launisch sind, die Androhung, sie im nächsten Jahr zu schreddern, wenn sie wieder nicht blühen, kann Wunder wirken. Solche Dinge bilden die schönste Verständigung zwischen zwei Menschen, so intim wie die Liebe selbst. Und wie diese sollte man auch botanische Zärtlichkeiten und das Glück gemeinsamen Wahrnehmens für sich behalten. Solche Mitteilungen gehören nicht in die Öffentlichkeit. Ein glückliches Gartenpaar sollte das Wesen seines Glücks nicht vorführen. Man entdeckt gemeinsam seinen Garten jeden Tag neu und anders, so wie man früher einander jeden Tag neu und anders entdeckt hat. Und das geht keinen was an, finde ich.
Am Ende des Schloßgrabens, wo die Kirschbäume wachsen sollen, habe ich 500 Narzissen und Osterglocken gepflanzt. Sechs Wildgänse flogen vorüber. Ein wunderschöner Nachmittag. Pflanzte Rosen und den persischen Pfirsich. Sah eine dicke, weiße Eule.
Diesen Moment reinen Glücks notierte Vita Sackville-West im Februar 1931 in ihr Tagebuch, und mit Harold Nicolson wird sie ihn geteilt haben. In einem Brief an die Freundin Virginia Woolf schreibt sie, ihr werde sie nichts von ihren Glockenblumenwäldern erzählen.
Mir ist oft aufgefallen, daß halbwüchsige Kinder auf dieGartenverrücktheit ihrer Eltern mit jener ruppigen Verlegenheit reagieren, die man aus der eigenen Teenagerzeit kennt, wenn die Eltern sich küßten oder miteinander tanzten.
Allerdings gibt es viele Gartenpaare, die kinderlos sind. Die F.s haben ihr Grundstück gekauft, als sie beide noch in zeitraubenden und in vieler Hinsicht lohnenden Berufen steckten. Kinder wollten sie nicht. Der Garten war widerspenstig, träge, erwies sich als schwierig und tat nicht, was sie wollten. Sie gaben viel Geld für ihn aus und ließen Scharen von Profis auf ihn los.
Ich mache jetzt gar nichts mehr, hatte Herr F. manchmal verzweifelt gesagt, es wird ja doch nichts aus ihm. Aber seine Frau konnte ihn immer wieder überreden. Manchmal saßen sie abends müde unter einem schütteren Baum und schauten still in ihren Garten hinein, ob da nicht irgendwo ein Fünkchen Hoffnung aufscheinen möge. Die teuren Bambushecken hatte er verrecken lassen, der Teich war verlandet, die Rosen hatten Krankheiten, die nicht einmal der Experte des nahe gelegenen Gartenforschungsinstituts je gesehen hatte. Sie hatten den teuersten Rasensamen aus England importieren lassen, natürlich erst nach einer Bodenanalyse. Mit dem Boden war eigentlich alles in Ordnung, nicht zu sauer, nicht zu sandig, aber es war, als hätte sich der Garten vorgenommen, nicht eine einzige Hoffnung zu erfüllen. Auch der Rasen wurde nichts.
Niemals gerieten Herr und Frau F. darüber in Streit. Sie vertrösteten einander auf später, wenn sie beide mehr Zeit für ihren Garten haben würden.
Im Urlaub überließen sie ihn einem teuren Gärtner und machten Gartenreisen, nach England, Frankreich und Portugal.
Gartenpaare machen sehr oft Gartenreisen, das ist eine ArtMasochismus, dem beide Partner gemeinsam nachgehen. Vor allem in England leiden ehrgeizige Gärtner oft große Pein. Eine Gartenfrau beschrieb mir ihr ersehntes, gleichwohl in weiter Ferne liegendes Ziel: Ihr Garten solle aussehen wie eine sehr schöne Frau in einem etwas zu engen Kleid. Das ist eine großartige Beschreibung, und genauso sehen diese unerträglich lässigen, überquellenden und üppigen englischen Gärten aus. Die gut erkennbar formale Grundstruktur, das Klassische , wie Nicolson es nennt, wird an allen Ecken gesprengt und überwuchert und platzt aufs schönste aus den Nähten vor lauter Romantik. Man kann sich das als Singlegärtner gar nicht antun, denn wohin mit dem Frust, und woher käme Trost?
Paare habe ich bei diesen Besichtigungen bei schönen Beschwichtigungsritualen erlebt, nichts eint zwei Menschen verläßlicher als die gegenseitige Versicherung, da könne man doch mithalten, und auch dieser Garten, den man da grade bestaune, habe durchaus seine Macken. Das Neiderregende an den englischen Gärten ist, daß sie ihre Macken so souverän herzeigen, eine Kunst, die hierzulande sehr selten ist.
Ein Paar kenne ich, das eine Woche vor seinem alljährlichen Gartenfest, Anfang Juni, weil da die Kletterrosen am schönsten sind, Panikkäufe beim Gärtner macht. Natürlich ist das Wetter Anfang Juni meistens mies, aber sie ziehen
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