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Gartengeschichten

Gartengeschichten

Titel: Gartengeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Demski
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Aber sie war nun mal weiblichen Geschlechts, und Mädchen erbten nicht. So erschuf sie sich zäh und phantasievoll ihre eigenen Königreiche, aber die Erinnerung an Knole hing lebenslang über ihr wie eine Wolke.
    Als ich Knole sah, lag der Park fast danieder. Über England waren wenige Monate vorher schreckliche Orkane hinweggefegt, und die Leichen der uralten, herrlichen Bäume streckten ihre Wurzeln gegen den grauen Himmel. Ich habe noch nie Windbrüche von solcher Größe gesehen, sie waren hoch wie Häuser. Vita Sackville-West hätte den Anblickwahrscheinlich nie verwunden. Nicht einmal der Krieg hatte ihren Kindheitspark so zugerichtet. Merkwürdigerweise konnten mich die majestätischen Anlagen des Parks von Knole nicht über diesen vielfachen Tod der Bäume hinwegtrösten. Auch das Schloß selber – es gibt unter den dreihundertfünfundsechzig Zimmern eines ganz aus Silber, was unglaublich scheußlich aussieht – schüchterte mich bloß ein, Glück wollte zwischen all den staubigen Wandteppichen und tonnenschweren Möbeln nicht aufkommen. Was hatte Vita Sackville-West, deren Sissinghurster Behausung so anziehend ist, bloß an diesem Kasten so bezaubert? Die schiere Größe? Ihre Vorfahren schauten grämlich von den Wänden herunter, auch ihnen schien es hier nicht sonderlich zu gefallen.
    Das Old Clergy House und seinen Garten hatte der Orkan offenbar verschont. Zumindest waren keine Schäden sichtbar. Und so wanderten die wenigen Besucher über die nicht besonders befestigten oder gar touristentauglich betonierten Wege und wurden von keinem Bild allgegenwärtiger Bedrohtheit verstört. Wahrscheinlich hat mir das in diesem Garten besonders gut gefallen: Auf Graswegen, zwischen kleinen Steinmäuerchen, die Wälder von weißen Cosmeen zähmen, denken zu dürfen, daß alles so weitergehen könnte, ohne Katastrophen und Zerstörung. Viele hundert Jahre hat das dieser Garten doch bewiesen. Gewiß waren seine Pfleger mal umsichtiger, mal schlampiger, vielleicht hatte er auch ganz wilde Zeiten erlebt. Es gibt erstaunlich viele Beispiele, daß unter Schichten von Stachelzeug und Holundergestrüpp, unter Brennesseln und Weißdorn und zwischen alten Autoreifen und weggeschmissenen Badewannen mittelalterliche oder barocke Gärten zu finden sind, wenn nur einer nach ihnen sucht. Daß Vita Sackville-West ihr Sissinghurst so vorgefunden hat, ist bekannt. Ob auch dieser Garten inAlfriston, in dem ich mich so zu Hause fühlte, solche Zeiten hatte überstehen müssen, weiß ich nicht. Anzunehmen ist es. Aber meistens wird jemand seine Äpfel geerntet und seine Blumen gepflückt haben, das sieht man ihm an. Und daß man die Bäume nicht, wie in Knole und den anderen imperialen Gärten, in den Himmel wachsen lassen wollte. Hier war gar kein Platz für sturzgefährdete Riesen.
    Die wievielte Generation von Apfelbäumen stand auf dieser Wiese? Obstbäume gleichen Menschen, sie sind vergänglich, und wenn sie nichts mehr tragen, hackt man sie eben ab, womit ich mich manchmal nicht abfinden mag. Die unsichtbaren Gärtner von Alfriston offenbar auch nicht, denn an einem fast toten, verknorzelten Apfelbaum schlang sich eine Clematis empor, nicht die alles vereinnahmende Montana Rubens, sondern eine mit riesigen Blütensternen in einem fast schwarzen Lila, ich konnte nicht herausfinden, wie sie hieß. Und daß sie Dr. Ruppel heißt, mag ich angesichts ihres Wohnortes nicht glauben. Der aber sah sie ähnlich.
    Ein großes britisches Geheimnis kam mir, auf den pfarrherrlichen Graswegen unter Rosenbögen wandelnd, wieder in den Sinn: das Essen. Im klimaverwöhnten Garten Englands wachsen einem die herrlichsten Rohstoffe in den Mund: Äpfel, Pflaumen, alle Arten Beeren, Kirschen, um die Füße drängen sich Rübchen, Erbsen und Kohl in allen Farben, Kräuter aus Ost und West gedeihen aufs beste, auf sanften Weiden hüpfen Lämmer (und wenn es nach mir ginge, hüpften sie da, bis sie alte Schafe sind), in den Bächen tummeln sich Fische, und man möchte meinen, das alles gerate dem Besucher in schön verwandelter Form auf den Teller. Aber nein. Auch in Alfriston gab es jene Suppe, die in dreierlei Farben angeboten wird: Rot (Tomate), Grün (Erbse) und Braun (alles übrige). Und alle anderen Delikatessen, derentwegen dieBriten sich seit langem von der übrigen Welt stoisch verlachen lassen.
    Auch in den Pfarrhäusern versunkener Zeiten ist wahrscheinlich nicht sonderlich gut gekocht worden, und so denke ich, daß die überquellende Pracht

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