Gartengeschichten
hektisch verblühte Tulpenstengel raus, bloß nichts Vernachlässigtes, Verblühtes, Vergängliches zeigen. Statt dessen Kübel und Polster als Lückenbüßer. Es ist ein nettes, etwas schüchternes Paar, und beide beginnen nur zu glühen, wenn es um den Garten geht. Man darf bei ihnen nichts loben, weil sie dann unisono sagen, die Päonie (wahlweise der Flieder, die Rose oder was auch immer) sei im letzten Jahr viel schönergewesen. Im übrigen habe es leider gestern auf die Pracht geregnet, so daß man nur ein sehr reduziertes Stadium zeigen könne.
Bei diesen beiden habe ich nie herausfinden können, wie sie die Gartenkompetenzen verteilt haben. Wahrscheinlich sind sie eines der seltenen Gartenpaare, die planend, grabend und pflanzend zu eineiigen Zwillingen mutiert sind. Er beginnt einen Satz, sie beendet ihn. Wenn man Rat sucht, ist man bei ihnen richtig. Sie widersprechen einander nie, höchstens ergänzen sie eine Empfehlung. Wir haben in all den Jahren, in denen wir uns kennen, noch nie über etwas anderes als über Gärten geredet. Gartenreisen machen sie jedes Jahr, sie bleiben aber in Deutschland. Am liebsten schauen sie sich adlige Parks an, da erübrigen sich schmerzhafte Vergleiche. Ich glaube, sie sind sehr glücklich.
Anders als heutige Gartenpaare das wahrscheinlich können, pflegten Hermann von Pückler-Muskau und Lucie, seine Geschiedene, genau wie Harold Nicolson und Vita Sackville-West, einen eskapadenreichen Lebensstil. Der Fürst war notorisch untreu, angeblich fleißiger in Liebesdingen als selbst Casanova. Und die Affären von Vita Sackville-West waren ein gesamteuropäisches Klatschthema. So was geht nur, wenn man seine Gärten aus der Ferne bestellen kann, wenigstens zeitweise. So wie der grüne Fürst.
Die Art, Alleen zu pflanzen, gefällt mir. Es wird nämlich ein fünf Fuß breiter Streifen Landes längs des Weges rigolt, und dicht aneinander ein Gemisch verschiedener Bäume und Sträucher hineingepflanzt. Die am besten wachsenden Bäume läßt man später in die Höhe gehen, und die anderen hält man als unregelmäßigen niedrigen Unterbusch unter der Schere – Rigolen heißt übrigens, den Boden fast einen Meter tief umzugraben und seine untere Schicht nach oben zubringen. So was machte man nicht selber, dafür gab es selbstverständlich Personal.
Heutige Gartenpaare haben für Untreue meistens weder Zeit noch Nerven, außerdem ist Hilfspersonal nicht mehr so leicht zu bekommen. Man ist nicht entspannt, wenn man daran denken muß, daß Paletten von jungen Pflanzen schmachtend aufs Eingesetztwerden warten. Oder daß der geliehene Vertikutierer in drei Stunden wieder abgeholt wird. Zum Sündigen gehört, jedenfalls am Anfang, eine gewisse Ausschließlichkeit. Der heutige Gartenfreak schafft es nicht, seinen Garten auszublenden. Das muß man aber, wenn sich etwas anderes ins Leben drängt. Und wenn wirklich ein Teil des Paares mal schwach geworden ist, werden Konsequenzen von beiden Seiten nicht vorschnell gezogen – es will sehr genau bedacht sein, ob man seinen Garten verläßt.
Ihm untreu zu werden ist schwer und schmerzt, jeder, der schon einmal einen Garten aus welchem Grund auch immer zurücklassen mußte, weiß das. Ich kenne ein Paar, das fast seinen ganzen Garten mit in eine neue Stadt genommen hat. Nur alte Bäume und den Rasen haben sie ihm gelassen, alles andere wurde mit größtem Aufwand ausgegraben und vorsichtig verpackt, das Ganze dauerte viele Wochen und bedurfte einer ausgefeilten Logistik. Man kann nicht alles zu jeder Zeit umsetzen, eine lange Lagerung verbietet sich, und so teilte sich das Paar auf, der eine leerte den alten Garten aus, während die andere in der neuen Stadt, im neuen Boden den vertrauten Garten wieder anpflanzte. Es hatte einen ziemlichen Konflikt gegeben, wer für welche Tätigkeit am besten geeignet sei. Sie konnten sich nicht einigen und haben letztlich geknobelt. Noch viele Monate nach dem endgültigen Umzug gab es Unfrieden und Vorwürfe aus beiden Richtungen. Wenn eine Pflanze nicht anwachsen wollte, schobdas Paar die Schuld zwischen sich hin und her. Auch gab es eine Menge Ärger mit den Käufern des alten Hauses, die statt eines Gartens einen umgepflügten Acker vorfanden.
Es war ein magisches Haus. Alle Räume waren trapezförmig. Die Fenster des Schlafzimmers gingen auf die Wipfel der Bäume. In der ersten Nacht schliefen wir nicht. Jeder lauschte dem Atem des anderen. Dann hat eine Nachtigall zu singen begonnen und dann eine
Weitere Kostenlose Bücher