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Gartengeschichten

Gartengeschichten

Titel: Gartengeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Demski
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von Früchten und Gemüse als gottgegebenes Abstraktum gesehen worden ist, aber nicht als Nahrungsangebot. Das Rätsel ist sehr schwer zu lösen, aber auch dafür die Globalisierung verantwortlich zu machen, ist mir zu billig. Es war ja schon so, bevor die erfunden wurde.
    Der Garten des Old Clergy Hause hat nur wenige von den in England sonst sehr beliebten dekorativen Elementen, wenn ich mich richtig erinnere. Amphoren, Putten, Steinfiguren mit und ohne Flossen sind nicht zu sehen. Nur ein paar schöne, große Gefäße in Sichtachsen, eines davon gefüllt mit bunten Semperviven aller Art und Größe, was ich sofort zu Hause nachgemacht habe. Gärtner haben zum Plagiat ein entspannteres Verhältnis als Autoren.
    Sichtachse: In einem kleinen Cottage-Garten wie diesem braucht man diesen despotischen Begriff eigentlich gar nicht, und trotzdem gibt es sie, die überraschenden Blicke zwischen Hecken oder Bäumen hindurch auf etwas Besonderes oder einfach nur auf das Haus. Die Sichtachse ist für orthodoxe Gartenkenner eine Art Angriffssignal, läßt zu Schere und Säge greifen, wenn die Natur die Sicht auf das versperrt, was der Gärtner für sehenswert hält. Wie viele wunderbare und kerngesunde Bäume habe ich schon unter dem Kampfruf: Sichtachse! ihrer Henker sterben sehen. Wahrscheinlich gibt es einen britisch-nachlässigen Umgang damit, auch in Vita Sackville-Wests durchkomponiertem Sissinghurst sind die Sichtachsen nicht so preußisch-bedingungslos durchgepeitscht wie andernorts in herrschaftlichen Gärten.



Im freundlich-lässigen Sinn entstehen Sichtachsen, wenn man durch Pflanzen und ihre Anordnung auf etwas hinweist. Das kann ein besonderer Blick in die Landschaft sein oder auf einen ungewöhnlichen Baum, man benutzt Sichtachsen, um die Schokoladenseite des Hauses zur Geltung zu bringen oder eine Statue, einen Pavillon, irgendwas Hübsches oder Verrücktes. Bei einer Dame sah ich ein pompöses Arrangement, eine akkurate Schneise aus Buchsen und mit Prunkwinden umwickelten Säulchen, die einen kompliziert gepflasterten Gartenweg einfaßten, es ging um Ecken, die von Rosenkugeln in verschiedenen Farben markiert waren, die Spannung stieg: Und da, am Ende, in einem buchsgefaßten Rondell stand auf einem Marmorpodest – eine alte, verrostete Gießkanne. Auch das hätte ich sofort sehr gern nachgemacht. Es unterblieb aus Platzmangel.
    Solche schönen optischen Kalauer gibt es in Alfriston nicht. Man vermißt sie auch nicht. Wenn hier die Blicke auf etwas fallen, hat das, soweit ich es sehen kann, niemand veranlaßt. Der mächtige Steintopf mit den Semperviven ist vielleicht sogar zufällig entstanden und steht jetzt da wie ein Kunstwerk, kann ja sein, daß die kleinen und großen Hauswurzen nur die Lücken zwischen irgendwelchen prächtigeren Einjährigen gefüllt hatten, den Winter und deren Tod abwarteten und dann ihren Platz einnahmen. Blühen können sie auch und zeigen es mit ihren fleischigen Stengeln, an denen Glocken in vielerlei Rosa hängen. Es ist ein englisches Rosa, Puderrosa, ein bißchen eingetrocknet, wie der Teint von Ladies. Die Familie der Hauswurz ist überhaupt nicht zu unterschätzen, sie geben sich mit bescheidenen Plätzen ebenso zufrieden, wie sie Armeen bilden, wenn man sie nur läßt. In den englischen Gärten erweist man ihnen die gebührende Ehre. Sie machen sich wunderbar zu allem, was aus altemStein ist, und als Dachbedeckung waren sie schon vor Hunderten von Jahren willkommen. In meinem Lieblingsgarten begegnen sie einem allenthalben, auch erstaunliche Exemplare von der Größe stattlicher Wirsingköpfe. Sie sind so unglaublich ordentliche Pflanzen mit ihren fetten Blättchen, kein Wetter kann ihnen etwas anhaben, sie haben immer genug zu trinken in sich selber. Sempervivum, das ewige Leben.
    Ich bin lang nicht mehr in Alfriston gewesen, aber ich weiß genau: Gewiß werde ich noch einmal im Herbst hinfahren, weil ich unbedingt sehen will, wie die Kürbisse zusammen mit den Herbstastern ihre Show abziehen und niemanden neben sich dulden. Und einmal möchte ich diesen Garten mit ausgeräumten Beeten sehen, den schwarzen Zweigen der Bäume, die ganze Geometrie des Gartens ohne Schmuck und Schutz. Statt der Singvögel Krähen und keine Menschen, ganz bei sich.

Paare
    »Endlich werden wir doch durch den großen Haufen glücklich hindurchkommen, durch den wir uns jetzt so mühsam arbeiten müssen, und dann vielleicht frisches Gras mit schönen Blümchen erreichen.«
    Hermann von

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