Gartengeschichten
wie die meisten Übersetzungen sagen, scheint mir in dem Zusammenhang doch arg bäurisch zu klingen. Hört sich nach Maisfeld und Milchquote an.
Die ersten Gärten, die ich als Kind kennenlernte, mußten nützlich und nahrungsspendend sein, auch die sehr kleinen. Blumen spielten kaum eine Rolle, was zur Folge hatte, daß die wenigen, die neben Gemüse, Kartoffeln und den unvermeidlichen Stachelbeeren geduldet wurden, wie verrückt gediehen. Noch heute kann man die Nachkommen jener Bauernblumen in Bayern bewundern, riesenwüchsige Herbstastern, unbezähmbare Massen von Ringelblumen und Wicken, Dahlien wie Löwenköpfe. Sie lehren uns, daß nicht unbedingt Sorgfalt und Liebe zu gärtnerischen Erfolgen führen. Desinteresse und Grobheit, das wird einen lebenslang erbittern, läßt sogar zickige Pflanzen erstaunlich üppig gedeihen. Es ist empörend, wie so oft in der Liebe: Man reißt sich ein Bein aus, aber das geliebte Objekt schmeißt sich einem gleichgültigen Niemand an den Hals.
Rittersporn: ein Synonym für vergebliches Werben. In struppigen Bauerngärten habe ich Mengen davon gesehen, meterlange Blütenfackeln in allen Blautönen von fast Weiß bis fast Schwarz, in Wolken von Bienen und Schmetterlinge gehüllt. Der Boden – nicht geharkt, weder gedüngt noch gemulcht, noch gegossen – war bedeckt von Blüten, ein verschwenderischer blauer Teppich, Rittersporn wirkt noch im Vergehentriumphierend. Jedenfalls da, wo er sein möchte. Wo er nicht sein möchte, kommt er gar nicht erst aus der Erde. In meinem Garten schlafen Generationen von Rittersporn entweder unerweckt im Boden, oder sie sind in den Mägen von Wühlmäusen und Schnecken gelandet. Ich glaube an die erste Möglichkeit und versäume in keinem Frühjahr, an all den Stellen, wo ich ihm ein Heim hatte bereiten wollen, nach Blättchen zu suchen. Es sind nie welche da, wohl aber die Hoffnung, dieses unausrottbare Gartengewächs. Die kennt jeder aus dem eigenen Garten. Ob Rittersporn, Seidenmohn oder eine Malmaison-Rose: Eines Tages werden sie für uns wachsen. Ganz freiwillig. Auch wenn wir bisher nicht einmal einen ordentlichen Kopf Salat großziehen konnten.
Verrückte Hoffnung: Um sie zu züchten, braucht man unbedingt einen Garten. Eine Fensterbank. Irgendeine Ecke mit Erde drin, sie braucht wenig, um sich festzukrallen.
Von der Fensterbank aus versorgte Anna K., meine sudetendeutsche Großmutter, ihre vielköpfige Familie mit Tomaten, Kohlrabi und Schnittlauch. Im Wohnzimmer herrschte deshalb eine grüne Dämmerung, was niemanden störte, denn es wurde nur an hohen Feiertagen genutzt. Danach kam das Wirtschaftswunder, möglicherweise hat es mit einem Garten auf der Fensterbank begonnen.
In meinem Garten steht ein Stachelbeerbäumchen. Als Reminiszenz. Eigentlich esse ich sie nicht besonders gern, ein Garten aber, aus dem gar nichts Eßbares kommt, scheint mir irgendwie leichtfertig. Seit drei Jahren kriegt der Baum im Frühjahr eine Menge Beeren, die fallen dann eine nach der anderen ab, bis auf drei oder vier, die zu einmaliger Größe und Köstlichkeit heranwachsen. Ich esse die Ernte ganz allein, langsam und bewußt.
Eßbares aus dem Garten unterliegt Moden, man kannheutzutage mit thailändischen Spaghettibohnen oder rotem bosniakischen Rucola gesellschaftlich punkten. Auch tauchen bei Leuten, von denen man das nie gedacht hätte, plötzlich Gänseblümchenblüten und Kapuzinerkresse auf der Vorspeise auf, was hübsch aussieht und für kulinarische Fortschrittlichkeit spricht. Selbstgezogenen Lauch oder eigene Karotten als glamourös zu preisen käme niemandem in den Sinn. Dabei ist beides schwieriger als Gänseblümchen.
Rechts vorne in meinem Garten stehen Töpfe mit Kräutern, ein Weg, Nützlichkeit und mediterrane Leichtigkeit vorzutäuschen. Und das ist unser Kräutereckchen, dieser Satz fehlt bei keiner Gartenbesichtigung, auch wenn man die Hausherrin verdächtigt, daß sie vor kurzem noch mit Pampasgras angegeben hat. Jetzt müssen es sechs Sorten Salbei sein, verschiedenfarbig. Die eine riecht absolut köstlich nach Blutwurst. Wir fragen zähneknirschend nach der Bezugsquelle, nur um den erwarteten Satz »Ich mache Ihnen gern einen Ableger« zu kassieren.
Ableger können Liebesbeweis oder Demütigung bedeuten, Hochnäsigkeit oder Dankbarkeit und manchmal schiere Verzweiflung, gepaart mit ein wenig Schadenfreude. Wenn man nämlich einer terroristisch gesonnenen Pflanze nicht mehr Herr wird und den Eroberer als Ableger in andere
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