G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

und entsandte es zu einem Vergeltungsschlag gen Westen.
    Faseroptische Leitungen transportierten dieses immaterielle
    Gebilde, einen zornigen Schrei in einem Glasfaden, bis an die Ausläufer der Rocky Mountains; wie ein Ruf zu den Waffen ließ es in ganz Colorado und New Mexico Telefone klingeln. Dann überwand es mit einem einzigen Sprung die kontinentale Wasserscheide und schoß durch die Wüsten von Utah und von Nevada. Die Städte des Ostens hatten noch nicht ausgebebt, als es, auf der Suche nach einem versteckten Hintertürchen, durch die Vermittlungszentrale des Vorwahlbereichs 714 jagte.
    Aus seiner hohen Raumwarte bemerkte das Elektro-Auge eines CIA-Spionagesatelliten eine kleine thermische Ausblühung in der Landschaft. Sofort machten sich die Mikroprozessoren des Satelliten daran, das Ereignis zu katalogisieren, indem sie es zunächst durch eine Reihe immer genauerer Ortsbestimmungen geographisch eingrenzten: Westliche Hemisphäre. Nordamerika. Vereinigte Staaten von Amerika. Staat Kalifornien. Orange County. Stadt Anaheim. Disneyland-Vergnügungspark. New Orleans Square. Südostecke.
    Brannte.
Gas
    Das Restaurant hieß »Gilead«. Direkt gegenüber vom Iiimmels-velodrom gelegen, wurde es namentlich von Neuzugängen gern frequentiert: genau der richtige Ort, um zu relaxen, Mai Tais zu schlürfen und sich so langsam in das Leben nach dem Tod einzuleben.
    Joan, Kite und Schwester Ellen Fine saßen, Bier trinkend und rauchend, zusammen an der Bar. Zweihändig rauchend, in Joans Fall: denn zusammen mit ihren Weisheitszähnen hatten sie und Kite an der Himmelstür jede ihren Arm zurückbekommen, den Petrus nach längerem Suchen aus der Schublade für abgetrennte Gliedmaßen seines römischen Aktenschranks hervorgekramt hatte. Anders als Joan hatte Kite es vorgezogen, ihn noch nicht wieder anzulegen, sondern trug ihn lediglich bei sich wie ein etwas fragwürdiges Geschenk, das sie wahrscheinlich behalten würde, an das sie sich aber erst gewöhnen mußte.
    »Das heißt also, selbst wenn die Bombe losgegangen wäre«, sagte Joan, »hätte es nichts ausgemacht. Das Nanovirus war schon unschädlich gemacht worden ... und ausgerechnet von Maxwell.«
    »Nicht ganz ohne die Hilfe der Presse und von Shin Bet«, sagte Joans Mutter. »Und das war auch gut so, denn wenn die sich nicht eingeschaltet hätten, dann wäre der Behälter, ob mit, ob ohne Explosion, einfach durch das Erdbeben heruntergefallen ...«
    »Das heißt also, nichts von dem, was ich getan habe, hat irgendwas genützt.«
    »Den Schwarzen nicht. Aber indem du die Explosion verhindert hast, hast du Gant Millionen an Wolkenkratzerreparaturen erspart.«
    »Und du hast endlich Meisterbrau zur Strecke gebracht«, fügte Iiite hinzu. »Das darfst du nicht vergessen.«
    Die Bar ging auf einen Garten mit einem Teich, in dem eine graue Haifischflosse vergnügt ihre Kreise zog. Nahe dem Teich stand ein Tisch, an dem ein Mann und eine Frau saßen. Die Frau hatte einen Pagenkopf und war in ein wallendes schwarzes Cape gehüllt; über ihrem Herzen trug sie eine goldene Brosche in Form eines Dollarzeichens. Der Mann hatte lange lockige Haare, ein Lausbubengrinsen und ein Hemd, das aus Stücken der amerikanischen Flagge zusammengenäht war; die drei obersten Knöpfe des Hemdes waren offen und ließen eine pelzige Brust und ein Peace-Symbol an einer Silberkette sehen.
    »Warum sitzt Abbie Floffman mit Ayn zusammen?« fragte Joan.
    »Sozialarbeit«, sagte ihre Mutter.
    »Sozialarbeit?«
    »Er hat Selbstmord begangen. Selbstmörder bekommen eine Milliarde Stunden gemeinnützige Arbeit aufgebrummt.«
    »Und was für Arbeit genau?«
    »Psychologische Betreuung. Er hat den Auftrag, ihr dabei zu helfen, etwas Sinn für Flumor zu entwickeln.«
    »Lyndon B. Johnson und eine Klapperschlange sitzen auf einem Zaun«, sagte Abbie Floffman gerade. »Und die Klapperschlange dreht sich zu Lyndon und sagt -«
    »Nein«, sagte Ayn Rand.
    »Was?«
    »Schlangen können nicht reden.«
    »Na ja, klar, natürlich können sies nicht, aber -«
    »Außerdem ist es nicht wahrscheinlich, daß man einem Präsidenten der Vereinigten Staaten gestatten würde, dadurch sein Leben in Gefahr zu bringen, daß er sich neben ein giftiges Reptil setzt. Im übrigen würde das auch kein vernünftiger Mensch tun - was keineswegs implizieren soll, daß Architekten des Wohlfahrtsstaates als vernünftig einzustufen wären. Aber -«
    »Schon klar«, sagte Abbie, »aber das ist ein Witz, verstehen Sie? Es braucht