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G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

Titel: G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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Aufmotzprojekts hatte er sich selbst vorbehalten, während er Clayton Bryce mit den Geldsorgen und Vanna Domingo mit dem Handling des sozialtechnologischen Aspekts des Vorhabens betraut hatte - das heißt, der Umsiedlung der Kriegsveteranen und sonstigen Obdachlosen, die Grand Central als Auffanglager benutzten. Schließlich war Vanna bis vor gar nicht langer Zeit selbst eine von ihnen gewesen, und so durfte man füglich annehmen, daß sie am besten wissen würde, wie mit ihnen zu verfahren sei.
    So war's denn auch. In einer kalten Herbstnacht des Jahres 2018 durchkämmten Sicherheitsbeamte die Tunnel, Korridore und Hallen des Bahnhofs und evakuierten sämtliche Obdachlosen. Die Wächter boten Gratis-U-Bahn-Münzen als Umzugsanreiz an und griffen nur im äußersten Notfall zur Gewalt, aber sie ließen kein Nein gelten: Grand Central hatte keinen Platz mehr für fahrkartenlose Herumtreiber. Man schlug den Vertriebenen Pennsylvania Station, die Heimat von Amtrak, Gants immer mehr ins Abseits geratenden Konkurrenten, als künftige Ausweichschlafstätte vor, obwohl Penn Station schon an einer eigenen Nichtseßhaften-Population zu ersticken drohte. Bereits am nächsten Morgen war der Bahnhof doppelt am Ersticken; drei Monate später war Amtrak vollends eingegangen, und die Nahverkehrsbetriebe PATH und Long Island Railroad bettelten um Gleisplatz in der Grand Central, die bereits wieder ein wahres Schmuckstück geworden war. Vanna Domingos Sicherheitskräfte - die »Gute-Reise-Truppe«, wie sie genannt wurden -taten ihr Bestes, damit es auch so blieb.
    Was der Grund dafür war, daß Morris Kazenstein selbst, wenn er nicht gewußt hätte, daß er in eine Falle lief, argwöhnisch gewesen wäre. Ihm war sehr wohl bewußt, wie er aussah, in einem abgewetzten Poncho, Filzsombrero, Levi's und Cowboystiefeln, mit einer schmierigen Einkaufstasche in jeder Hand und einem dichten schwarzen Bart und schwarzen Schläfenlocken, die sein
    Gesicht verdeckten. An einem normalen Tag wären die Gute-Reiser in null Komma nix angetanzt und hätten ihn gefragt, ob sie ihm irgendwie »helfen« könnten, aber nicht heute: Heute hatte das FBI ihnen befohlen, sich zurückzuhalten und Penner und Unbemittelte in Ruhe zu lassen, bis die Festnahme erfolgt sein würde. Die Wächter am Haupteingang starrten Morris an, ließen ihn aber passieren.
    Sie ließen auch Panzerkommandant a. D. Maxwell passieren, der an diesem Morgen aus der Bücherei geflogen war, nachdem man ihn dabei ertappt hatte, wie er den »Rubicon-Shrapnel«-Band der Encyclopaedia Britannica in einem Farntopf vergraben wollte. Aus reinem Zufall trampelte er ein paar Schritte hinter Morris in den Bahnhof, und die FBI-Agenten faßten ihn vorübergehend ins Auge und fragten sich, ob er ein Komplize sein konnte; aber anstatt dem jüdischen Piraten zu folgen, schwenkte Maxwell nach links ab, auf einen Zeitungsstand zu, wo irgendwelches nackte Fleisch lockte.
    Morris ging derweil unter der leeren Sternenschüssel durch -wohlerzogene, saubere, fahrscheinbewehrte Fahrgäste warteten hier auf langen Bänken darauf, daß ihr jeweiliger Zug ausgerufen wurde - und hielt auf die Nordostecke der Halle zu, wo sich der Postschalter befand. Von einem Sims aus, der knapp unter dem Rand der Schüssel entlanglief, behielten zwei an Sicherheitsgurten hängende FBI-Heckenschützen Morris im Fadenkreuz, bereit, ihn abzuservieren, falls er irgend etwas unternehmen sollte, was wie eine Gefährdung der Zivilbevölkerung aussah. Er tat es nicht. Er ging schnurstracks zum Schalter, wo Agent für un-un-amerikanische Umtriebe Ernest G. Vogelsang ihn in einer geborgten Postuniform begrüßte.
    »Kann ich Ihnen helfen?« fragte Vogelsang.
    Maxwell ließ einen Drehständer kreiseln, der hauptsächlich mit der Sonderausgabe zum fünfzigjährigen Jubiläum von Erica Jongs Angst vorm Fliegen bestückt war. Der entblößte Nabel und das mondsichelförmige Scheibchen Brust auf dem Umschlagbild versetzten ihn in Erregung, und er fing an, sich die Jackentaschen mit Taschenbüchern vollzustopfen. Die Zeitungsverkäuferin, eine FBI-Agentin, die momentan Morris Iiazenstein durch ein starkes Doppelglas beobachtete, erhob keine Einwände.
    Morris setzte seine Einkaufstaschen auf den Boden. »Ich möchte ein Paket abholen«, sagte er und zückte einen gelben Zettel. Als er ihn Vogelsang reichte, klopfte er mit den Knöcheln dreimal auf den Schaltertisch.
    Vogelsang beantwortete dies mit einem Kodesatz: »Ist immer nett, zu dieser

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