G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke
benutzen wollte, solange besagte Ökofreaks keine Spuren hinterließen und besonders aufpaßten, daß sie beim Kommen oder Gehen von niemandem vom nahe gelegenen Bayonne-Militärhafen gesehen wurden.
Der Leuchtturm war klein, nicht viel mehr als ein Hydrant auf einem Steinsockel, der eine Erhebung des Riffs bekrönte. Innen gingen von einer Mittelachse ringsum kuchenstückförmige Räume ab: Speicher, Schlafzimmer, Küche und angrenzendes Wohnzimmer. Es gab auch ein Badezimmer mit einer gußeisernen Wanne, die ihr Wasser aus einer Außenzisterne bezog; Morris Ka-zenstein hatte die Leitungen wieder auf Vordermann gebracht und die Zisterne mit zwei unauffälligen Regenauffangvorrichtungen aufgerüstet. Im Schlafzimmer, das nach dem Weggang des letzten ansässigen Wärters leer gelassen worden war, hatte Morris eine Zwischendecke mit einem darin versenkten hängenden Fu-ton eingezogen, der an Flaschenzügen hochgehievt und heruntergelassen werden konnte. Der und ein geheimes Küchenfach, das Kochutensilien, Propangasflaschen und nicaraguanischen Kaffee enthielt, machten den ganzen Komfort des Leuchtturms aus. Er war spartanisch, aber gemütlich, eine gute Ausweichmöglichkeit, wenn das FBI New Bedford-Stuyvesant überwachte und Lexas Apartment deswegen für Philo zu gefährlich wurde. Außerdem lag er näher an der Piratenbucht und war schneller zu erreichen, falls sie es, aus welchen Gründen auch immer, einmal eilig hatten.
Manchmal verfiel Toshiro Goodhead, wenn er in Krämpfen der Wollust aufschrie, in seine japanische Muttersprache, während Philo in die Mundart der Pennsylvania-Deutschen regredierte und Lexa, die außer Englisch fließend Arabisch, Französisch, Russisch und Spanisch sprach, zu einer veritablen Berlitz des Eros wurde. Als sie endlich einschliefen, brannten ihnen die Ohren vom Nachhall ihrer babylonischen Verwirrungen. Sie träumten von Landkarten und Völkern und wachten umgeben von freundlichem Fleisch auf.
Wie üblich wachte Lexa als erste auf. Philo lag, rechts von ihr, auf dem Rücken, und seine breite Brust gab ein Kissen für ihre Wange ab. Toshiro, dessen Kopf zum anderen Ende des Futons wies, schlief mit den Lippen an ihren Füßen. Lexa legte eine Hand auf jeden von beiden und spürte den langsamen Gleichtakt ihrer Atmung. Sie lächelte zufrieden.
Aus einem anderen Teil des Leuchtturms drangen die Gerüche von frisch gebrühtem Kaffee und frischer Druckerfarbe herein: Ellen Leeuwenhoek war aus Washington zurückgekehrt. Vorsichtig, um ihre Bettgenossen nicht aufzuwecken, stand Lexa auf und vollführte auf dem kalten Fußboden einen Barfußtanz. Robbins Reef war nicht geheizt. Sie patschte am Lagerraum vorbei hinaus und sah, daß das Klappbett, in dem Rabi schlief, leer war, die dicken Steppdecken beiseite geschoben; aus dem Badezimmer hörte sie Geplansche und Gelächter. Sie ging in die Küche und machte sich einen Zucker mit Kaffee.
Der neue LongDistance Call lag auf dem Wohnzimmertisch. Er kam einem Kunstwerk so nahe, wie es für eine Zeitung überhaupt nur möglich war. Lexa hatte das zur Jahrtausendwende erfolgte Eingehen der Village Voice als Zeichen verstanden und war zu dem Schluß gelangt, daß ein alternatives Wochenblatt unmöglich den Einfluß haben konnte, den sie anstrebte, solange es nur den Leser auf der Straße ansprach; daher versuchte sie, die Journalisten und Herausgeber anderer, etablierterer Zeitungen zu verführen. Nachdem das Layout auf dem Computer erstellt worden war, wurde der Call von Hand auf einer Elek-tro-Gutenberg gesetzt, die der Schrift und den Rasterfotos die gleiche reliefartige Struktur verlieh wie eine echte Handpresse. Auch das Papier hatte, grob, dick und schwer, etwas Altlich-Gediegenes an sich. Und die Texte des Call waren der äußeren Erscheinung der Zeitung mehr als würdig. Wenn auch nicht alle, so wurden doch viele Stories, die Lexa brachte, von der Times übernommen, und andauernd kamen Bitten um Hilfe bei Recherchen. Es ging sogar das Gerücht, der Chefredakteur der Washington Post kaue Stückchen vom Impressum des Call als Aphrodisiakum - was gar nicht so abwegig war, wie es klang. Der Long Distance Call war eßbar: auf die Zunge gelegt, schmeckte sein Papier leicht nach Honig, seine Druckerfarbe nach erlesenen Spezereien.
»Na ihr?« sagte Lexa, als sie ins Badezimmer hereinspaziert kam. Ellen saß mit Rabi, deren Windpocken allmählich am Abklingen waren, in der Badewanne.
Rabi grinste sie süffisant an. »Du warst heute nacht
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