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Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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nichts zu erklären. Man kann ja auch nicht erklären, weshalb man lebt. Ich sprach über dies alles, weil die Bäume ihr Laub verlieren und wieder grünen, weil ein Stein, den man losläßt, zu Boden fällt, weil das Licht sich beugt, wenn es in die Nähe mächtiger Sterne kommt, weil Gletscher Felsen tragen und steinerne Flußbetten Wasser… Das, was ich fühle, ist für dich wertlos. Ich weiß es. Aber einmal wirst auch du viele Dinge hinter dir haben und wenige noch vor dir. Dann wirst du vielleicht unter all deinen Erinnerungen eine Stütze, einen Halt suchen, einen Punkt vielleicht nur, von dem aus die Lebensrechnung beginnt oder bei dem sie endet. Du wirst eine ganz andere sein, alles wird anders sein, und ich weiß nicht, ob ich oder wo ich dann sein werde. Aber das ist nicht wichtig. Denke daran, daß du meine Astronautik wie meine Träume, meine Stimme, meine Sorgen und alle mir selbst noch unbekannten Ideen und Gedanken, meine Ungeduld und meine Zaghaftigkeit – daß du die Welt ein zweitesmal haben und besitzen konntest. Wenn du einmal so denkst, dann wird es nicht mehr wesentlich sein, ob du dies alles nicht haben wolltest oder ob du nicht verstandest. Wichtig wird nur eines sein: daß du meine Schwäche und meine Stärke, Verlust und Wiedergewinn, Licht und Dunkel, Freude und Schmerz – daß du das Leben warst.“
    Pjotr berührte mit den willenlos geöffneten Fingern ihrer Hand seine Schläfe und Stirn. „Fühlst du die harte Kontur? Das ist ein Knochen. Einmal wird er von Haut und Fleisch entblößt sein. Aber auch das bedeutet nichts. Alles ist ewiger Wechsel im Strom der Gestaltung, die fließende Form von Atomen und ihren Strukturen, die Verbindung von Atomen. Sie vereinen sich von Zeit zu Zeit, um den Körper eines Menschen zu bilden, und sie trennen sich wieder – aber dieser Augenblick im Weltgeschehen besteht, er bleibt. Er wird im Staub, in den sich mein Andenken verwandelt, für immer festgehalten, er wird weiterbestehen, stärker als die Zeit, als die Sterne, stärker als der Tod.“
    Pjotr hatte die letzten Worte kaum vernehmbar geflüstert. Nun verstummte er. Behutsam ließ er ihre Hand frei, vorsichtig, als gäbe er ihr etwas Zartes, Zerbrechliches zurück.
    Er ging voraus. Der Fußweg führte anfangs geradeaus weiter, dann machte er einige Biegungen und teilte sich. Pjotr wandte sich nach links. Wolken zogen auf und bedeckten einen immer größeren Teil des Himmels. Der Wind wurde stärker. Die beiden schwiegen. Auf einmal vernahmen sie hinter der grünen Wand der Hecke ein langsames Klappern, das schwächer wurde und in ein monotones Geräusch überging, das wie das Klirren unsichtbarer Scheren klang.
    „Ist dort jemand?“ rief Pjotr laut.
    „Ich bin es – Sigma sechs“, antwortete ein metallen klingender Bariton.
    Pjotr lenkte seine Schritte in die Richtung, aus der die Stimme kam, stieß aber auf eine dichte Wand stachliger Zweige und blieb stehen.
    „Wie kann man zu dir gelangen, Sigma sechs? Gibt es hier einen Weg?“
    „Wenn du nicht durch die Hecke kommen kannst, dann bist du ein Mensch. Geh zehn Meter geradeaus weiter. Dort ist ein Durchgang“, antwortete der Automat.
    „Sigma sechs, gib das Signal!“
    Im Gebüsch leuchtete eine rot und grün gestreifte Kugel auf. Die beiden zwängten sich durch den engen Durchlaß. Der Automat stand auf drei Kufen unter tief herabhängenden Zweigen. Eine seiner Antennen war durch das Licht der Signallampe beleuchtet, seine Metallhülle war in dem dunklen Gewirr der Zweige verborgen.
    „Sigma sechs, wo ist die nächste Station des Vakuumexpresses?“ fragte Pjotr. Er trat an den Automaten heran und legte die Hand auf die kühle Hülle.
    „Die nächste Haltestelle ist in nordöstlicher Richtung, vierhundert Meter von hier entfernt“, erwiderte der Automat. Seine Stimme wurde schwächer, die einzelnen Worte fielen in immer längeren Abständen.
    „Das scheint ein verwirrter Sigma zu sein“, wandte sich Pjotr an seine Gefährtin. „Anscheinend ist er entladen. Hast du gemerkt, wie komisch er stottert?“
    „Ich … bin nicht … entladen“, antwortete der Automat klirrend. Es klang, als wäre er gekränkt. „Nur… die… Modulationsschaltung… ist… durchgebrannt“, schnaufte er und verstummte.
    Pjotr schlug die genannte Richtung ein. Er hielt sorgsam die Zweige fest, damit sie seiner Begleiterin nicht ins Gesicht schnellten. Durch die Dunkelheit drang ein orangefarbenes Leuchten, das rasch heller wurde. Das Gebüsch war

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