Gast im Weltraum
glaubte, das die Leere erfüllte, die nach diesem einen Wort um ihn war. Ein dumpfes Echo entrang sich ihm, halb Ächzen, halb Schluchzen.
Da trafen aus unbestimmbarer Höhe, langsam und deutlich die Worte an sein Ohr: „Mensch, was tust du?“
Pjotr blickte auf, sah aber nur den weiten, wolkenverhangenen Himmel, aus dem, wie ihm plötzlich einfiel, vor Jahrhunderten die Zuflucht der Schwachen, Unterlegenen und Besiegten für immer vertrieben wurde. Nun hörte er den Klang seines Herzens. Er drang durch das tiefe Schweigen, als käme er aus einem verlassenen, verschlossenen Haus. Der erste Schlag war der Laut des Blutes, das in die Adern gepreßt wurde, und sein Echo. Dann folgte eine kurze Pause. Pjotr lauschte nicht dem Pulsschlag nein, er wartete auf die Stille, die ihm folgte, als wünschte er, sie immer mehr zu verlängern, als hoffte er, daß diese zwei rhythmischen, dumpfen Töne seltener klangen, daß die Stille wuchs, bis nur noch sie in ihm wäre.
„Mensch“, tönte von neuem die Stimme, „hast du dich verirrt?“
Pjotr schwieg.
„Was willst du? Frag, ich werde antworten.“
Pjotr sank in sich zusammen, seine Schultern lehnten noch immer an der unsichtbaren, harten Wand. Sein Rücken begann von der kalten Berührung zu erstarren. Es war, als hätte jemand ihn aus bleischwerem Schlaf gerissen. Aber er hörte alles, was rings um ihn geschah, und flüsterte: „Weshalb, weshalb ist es so?“
„Ich verstehe nicht. Wiederhole den Satz. Wenn du dich verirrt hast, weise ich dir den Weg.“
„Für mich gibt es keinen Weg mehr.“
Wieder war es still. Der Wind, der von den Hügeln kam, strich über Pjotrs feuchte, kalte Stirn. Er hatte den unklaren Wunsch, dieses sinn- und zwecklose, zugleich aber, wie ihm schien, unbedingt notwendige Gespräch fortzuführen. Nichts war in ihm, nichts. Diese Leere war furchtbarer als der Schmerz. Nur fliegende Satzfetzen, Fragen, die unbeantwortet blieben, und Antworten, die keine weiteren Fragen gestatteten, huschten durch diese Leere, ohne sich zu eindeutigen Begriffen zu formen. Wieder wuchs die Stille über ihn hinaus, es war, als träumte und wachte er zugleich. Von neuem hörte er den Schlag seines Herzens, der von seinem Körper losgelöst schien. Was war das…? Er befand sich in einem Unterseeboot, das mit ihm in bodenlose Tiefen sank. Er spürte die unermeßlichen Fluten an den Wänden des Schiffes; sie schwollen an, drückten die stählernen Panzer ein, strömten lautlos, schwarz und kalt durch die Risse und füllten die Räume hinter den Schotten. Nur an einer Stelle war noch Luft. Dort schlug sein Herz und wartete auf den Augenblick, da die letzte Wand barst. Und das Schiff sank, sank immer schneller, immer tiefer. Pjotr streckte die Hand aus, um die Stahlwand zu berühren, an deren Vorhandensein er sekundenlang wirklich glaubte. Er wollte prüfen, ob auch sie sich bereits bog. Seine Fingerspitzen glitten tatsächlich über kalten Stahl; aber es war keine Wand, er war nicht in einem Schiff, ging nicht unter, brauchte nicht auf sein Ende zu warten.
„Was willst du? Sag es mir, Mensch“, mahnte die Stimme über ihm.
„Nichts will ich. Du kannst mir nicht helfen.“
„Weshalb nicht? Ich verstehe dich nicht. Hast du etwas verloren?“
Diese Frage berührte Pjotr seltsam.
„Ja“, antwortete er.
„Was hast du verloren?“
„Alles.“
„Alles? Das macht nichts. Du kannst alles wiederhaben.“
„Meinst du? Alles? Die ganze Welt?“
„Die Welt gehört den Menschen, also auch dir.“
„Die Welt wird wertlos, wenn man sie nicht mit jemandem teilt.“
„Ich verstehe dich nicht. Wiederhole den Satz.“
Pjotr begriff allmählich, mit wem er dieses sonderbare Gespräch führte. Das ernüchterte ihn, das Bewußtsein kehrte zurück, und mit ihm der Schmerz. „Du verstehst es doch nicht“, antwortete er. „Du kannst mir nicht helfen.“ „Ich bin dazu da, dir zu dienen.“
„Ich weiß, du kannst sehr wertvolle Dienste leisten, nützliche Dinge schaffen. Aber darüber hinaus schätzen wir manches, was dir unbegreiflich, unzugänglich ist, verstehst du? Ich habe nichts und kann doch anderen sehr viel geben. Keiner kann mehr geben als der, der alles verloren hat. Das verstehst du nicht, nicht wahr?“
„Hein“, antwortete der Automat demütig oder etwas unwillig – aber das schien Pjotr wohl nur so. Unbewußt sprang er auf, wandte sich in die Richtung, aus der die Stimme kam. „Höre“, flüsterte er. „Du bist der Automat Sigma sechs.
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