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Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Ich erkenne dich wieder. Höre…“
    „Ich gehorche dir, sprich.“
    „Töte mich!“
    Schweigen. Nur der Wind rauschte, und in das Rauschen mischte sich das schluchzende, stoßweise Atmen Pjotrs.
    „Ich verstehe dich nicht. Wiederhole den Satz.“
    „Du bist eine Maschine, die uns Menschen dient. Du besitzt ein mechanisches Gedächtnis und kannst alles, was es auf nimmt, wieder löschen, als wäre es nie gewesen. Niemand erfährt es, niemandem schadet es. Sigma sechs, rette mich, töte mich! Hörst du?“ Er keuchte. Schluchzen würgte ihn in der Kehle. „Du bist aus Metall… eine Maschine… tot. Du fühlst nichts, weißt nichts. Du begreifst nicht, was Verzweiflung, was Qual ist. Nichts von alldem kennst du. Wie gut ist das. Ich..ich habe jetzt nicht die Kraft… ich habe sie nicht… aber ich weiß… ich muß sie haben, und… und das ist schon viel. Ich… Vergiß dieses Gespräch, Sigma sechs, hörst du?“
    „Ich vergesse es nicht“, erwiderte der Automat.
    „Weshalb nicht?“
    „Mein Modulationskreis ist durchgebrannt. Wenn sie mich reparieren, werde ich es vergessen.“
    Pjotr lachte bitter. „Ach so. Na gut. Vielleicht reparieren sie mich auch, und vielleicht – ja, vielleicht kann ich dann auch vergessen.“
    Er wandte sich um und schritt langsam in das Dunkel. Wieder zwängte er sich durch das dichte Gebüsch. Am Horizont glomm ein hellerer, violetter Schein. Ein neuer Tag brach an. Allmählich zeichneten sich die Umrisse der Büsche und Bäume ab. Der Wind verstummte. Das Land breitete sich vor Pjotr aus, weit, farblos, als wäre es über Nacht zu Asche geworden. In der Ferne blinkte das Licht eines Hauses auf, ein flimmerndes, irdisches Sternchen, von dem er den Blick nicht loszureißen vermochte. Menschen erwachten dort mit dem neuen Tag. Die Arbeit begann wie immer. Auf den Flugplätzen landeten Raketen. In den Laboratorien beugten sich Menschen aufmerksam über Instrumente. Seine Kollegen im Observatorium am Tycho-Brahe-Paß warfen vielleicht eben ihre reifbedeckten Skaphander auf den Stahlfußboden. Sie erwarteten ihn. Im fernen Sylistrien war es bereits Tag. Ein kleines Mädchen sagte vielleicht zu seiner Mutter: „Ich fahre nicht mit der Tante fort. Ich will heute keinen Ausflug machen. Heute kommt Onkel Pjotr und erzählt mir ein Märchen.“
    Pjotr hob die Hände vor das Gesicht, fuhr sich über die Augen und schritt auf die Station zu. Den Blick in die morgendliche Weite gerichtet, gab er sich ganz dem Frieden der erwachenden Welt hin…
    Das ist die Geschichte Pjotrs, des Schiffbrüchigen im Sternenraum, die einzige Erinnerung, die er über die Katastrophe hinweg gerettet hatte, da sie stärker war.
    Das Sprechen hatte Pjotr ermüdet, er schlief ein. Ich gab den Gefährten einen Wink, das Zimmer zu verlassen. Anna und ich blieben allein an Pjotrs Bett. Er atmete ruhig und tief. Seine Hand, die auf seiner Brust lag, machte noch eine zögernde, zage Bewegung, als streichelte sie etwas; dann glitt sie herab und hing reglos über den Rand des Lagers.
    Unsere Gefährten standen unter der großen Araukarie im Vorraum und warteten auf uns. Impulsiv öffnete ich die Tür meiner Wohnung. „Kommt noch eine Weile zu mir.“ Obwohl kein Laut in das Zimmer Pjotrs dringen konnte, forderte ich sie mit gedämpfter Stimme auf, einzutreten.
    In unserem Wohnzimmer war es dämmrig; aber ich schaltete das Licht nicht ein. Das Meer vor den Fenstern war tiefblau, am Horizont leuchtete der silbrige Federbusch des Zodiakallichts. Ein Stern nach dem anderen glänzte unwirklich, aber unsagbar schön auf – die flimmernden irdischen Sterne. Unser scheinbar planloses Gespräch und die langen Pausen voll Unausgesprochenem waren kein Zufall, denn wir dachten alle an das gleiche.
    Plötzlich riß jemand so heftig die Tür auf, daß ein frischer Luftzug durch das Zimmer strich. Nils Yrjöla war es, der mich hin und wieder abends besuchte. Er bemühte sich, die in die Stille tropfenden, scheinbar zusammenhanglosen Worte zu verstehen. Da er ihren Ursprung nicht kannte, gelang es ihm nicht. Schließlich fragte er: „Verzeihung, darf ich wissen, über was ihr sprecht?“
    „Du erinnerst dich vielleicht an das, was ich dir einmal über die Untersuchung Pjotrs und den plötzlichen Wandel in den Gehirnströmen erzählte, als Anna ihn fragte“, antwortete ich.
    „Natürlich“, rief er. Sein jugendliches, beinahe trotzig entschlossenes Profil hob sich scharf gegen das Fenster ab.
    „Pjotr hat uns heute die

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