geben ein Fest
kindlichen weißen Kleid mit seligem Gesichtsausdruck wie schwerelos sprang und sich voll Anmut drehte. Auf offener Bühne gab es Beifall.
„Spitzentanz“, flüsterte Carlotta plötzlich verzückt, und Doris, die neben ihr saß, sah sie überrascht an. Dann begriff sie. Auch im Zirkus gab es Ballettgruppen, und der Tanz auf den Zehenspitzen galt dort als tolle Leistung. Daran dachte Carlotta wohl, und sie dachte gewiss weiter: Noch ein paar Wochen, und sie würde mittendrin sein in dem bunten, erregenden, schönen Zirkusleben, nach dem sie immer ein bisschen Heimweh hatte.
Die Musik spielte „An der schönen blauen Donau“, und die Tänzerin erschien mit einem Partner. Sie zeigten den ausgelassenen, überschäumenden Tanz des Husaren mit der Straßentänzerin aus dem Ballett zu dieser Strauß-Musik. Ein ganz anderer Mensch schien sie plötzlich zu sein, Andreas Schwester. In diesem Pas de deux, dem Tanz zu zweien, war alles Kindliche von ihr abgefallen.
Dann folgte ein moderneres Stück, der Tanz der Ballerina aus Strawinskys „Ballettszenen“.
Corni und Andrea, die Ballettfans, schien dieser kräftige, lebhafte Rhythmus völlig mitzureißen. Sie klatschten wie besessen und riefen „Bravo!“, und als Bettina sich immer wieder verneigte, stürmte Andrea schließlich mit dem Rosenstrauß auf die Bühne und fiel ihrer Schwester um den Hals.
Das gab einen Jubel! Dass die beiden Schwestern waren, war nicht zu übersehen. Die Musik war auch auf Draht. Sie spielte prompt einen Tusch, noch ehe Andrea sich wieder verdrücken konnte. Die Zuschauer klatschten wie närrisch - auch solche, die vom letzten Tanz weniger angetan waren: Und Bettina hielt ihre jüngere Schwester (die freilich einen halben Kopf größer war) fest an der Hand. Schließlich erbarmte sich jemand und ließ den Vorhang vor die Bühne rauschen, sodass Andrea entwischen konnte. Sie sagte schnell: „Der Strauß ist von der ganzen Klasse - als Dank!“ Dann sprang sie an der Seite hinunter und rutschte auf ihren Platz.
„Komm nachher hinter die Bühne“, hörte sie Bettina rufen.
Die Pause war ein Vergnügen für das Publikum. Jetzt erst achteten sie auf die jungen Mädchen in den ersten zwei Reihen. Die steckten die Köpfe zusammen. Andrea erklärte allerlei vom „Pas de deux“ - dem Tanz zweier Partner - und vom Spitzentanz oder was ihr in der Aufregung sonst noch einfiel.
Die Pause war nur kurz. Im zweiten Teil folgte aus der „Puppenfee“ der Tanz dieser schönsten aller Puppen, ein zierlicher, anmutiger Walzer. Das gefiel den Leuten. Wieder klatschten sie mitten in der Szene, und Bettina, die ihr Programm damit abschloss, musste den ganzen Walzer wiederholen. Es war mit einem Mal eine enorm gute Atmosphäre. Dass die Schwester der Tänzerin zwischen ihnen saß und dass die beiden jungen Mädchen sich so stürmisch begrüßt hatten, gefiel den Zuschauern, ebenso der fröhliche Haufen der Lindenhof-Mädchen. Blumen flogen auf die Bühne. Bettina fischte sie beim Tanzen auf und winkte einen Dank hinunter.
Viel zu früh war es aus. Die Musiker packten ihre Instrumente zusammen und gingen. Langsam leerten sich die Stuhlreihen.
Andrea hatte Frau Vogel Bescheid gesagt, bevor sie zu Bettina lief. „Ich komme rechtzeitig zur Bahn“, versprach sie. Und sie war auch pünktlich. Bettina, die sich inzwischen umgezogen hatte, brachte sie in ihrem kleinen Wagen zur Station. So konnten die Freundinnen die junge Tänzerin selber begrüßen und sich bedanken.
„Hat es euch gefallen?“
„Sehr! Wundervoll war es. Vielen, vielen Dank!“
In der Bahn gab es nur ein Thema: Bettina Harrach. „So leicht sieht ihr Tanz aus, geradezu mühelos wirbelt sie umher. Wenn wir es nicht selber versucht hätten, würden wir nicht glauben, wie schwer Ballett ist. Und erst der Spitzentanz - unwahrscheinlich!“
Andrea genoss den Ruhm ihrer Schwester. Einmal lachte sie hellauf. „Warum lachst du?“
„Ach, ich musste gerade dran denken, wie Bettina sich einmal mit Mutters Bügeleisen plagte. Sie hatte extra das alte schwere aus der Bodenkammer geholt. Das hob sie nun vom Fußboden auf und stellte es auf den Tisch, dann wieder hinunter. Immer abwechselnd mit dem rechten und dem linken Fuß.“
„Was hat das mit Tanzen zu tun?“
„Sie wollte ihre Beinmuskeln kräftigen. Es ist schwer, ein Bügeleisen auf diese Weise zu transportieren. Und wie gesagt, es war keines von den modernen leichten! Es hatte ein ganz schönes Gewicht.“
Allmählich kam
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