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Gebieter der Dunkelheit

Gebieter der Dunkelheit

Titel: Gebieter der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Henke
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überall mit hinnahm.
    »Er lag heute Morgen auf dem Sideboard, das neben der Garderobe im Eingang steht. Ein heimlicher Verehrer?«, fragte Rosamar und reichte ihr ein Kuvert.
    Überrascht drehte und wendete Naomi es. Von Cheng stammte der Brief bestimmt nicht. Niemals hätte er einen pechschwarzen Umschlag gewählt. Mit weißem Gelstift hatte der Absender ihren Namen in geschwungenen Buchstaben daraufgeschrieben. Sehr hübsch. Und ihr fiel nur eine Person mit einer Affinität zum geschriebenen Wort ein.
    »So ähnlich«, murmelte Naomi. Gefolgt von Rosas neugierigen Blicken ging sie zum Messerblock, zog ein kleines Messer heraus und öffnete den Brief, der nicht größer als eine Visitenkarte war. Aufgeregt zog sie die gefaltete Karte heraus, auf der vorne zwei schwarze Handschellen auf unschuldigem Weiß abgebildet waren. Naomi klappte sie so auf, dass Rosamar das Bild nicht sehen konnte. Als sie las, was dort geschrieben stand, stieg ihr die Röte ins Gesicht. Das blieb von der Köchin nicht unbemerkt, denn sie drehte sich glucksend um, griff nach der Thermoskanne und schritt beschwingt in den Saal.
    Die Buchstaben waren ebenso schön geschwungen wie ihr Name auf dem Kuvert.
    Um das Kapitel Rachel und Chad löschen zu lassen, komm um sechzehn Uhr zum Südhang. Zieh nur ein Sommerkleid an, keine Unterwäsche. Du wirst es eh nicht lange anbehalten. Dein Herr.

11
    Naomis Gewissensbisse wuchsen mit jedem Schritt, den sie den Südhang hinaufstieg. Bisher hatte sie sich nur ihren Fantasien hingegeben. Daran war nichts Verwerfliches, Gedanken waren frei.
    Doch nun stand sie kurz davor, mit Sam auf Tuchfühlung zu gehen. Das war falsch. Ein Seitensprung entsprach so ganz und gar nicht ihrem Charakter. Aber was in wenigen Minuten geschehen würde, entzog sich ihrer Macht, damit beruhigte sie ihre moralischen Bedenken ein wenig. Samuel McAvoy hatte sie in der Hand. Außerdem wartete Cheng zu Hause nicht gerade sehnsüchtig auf sie. Verächtlich verzog Naomi ihr Gesicht. Pinpoint Precision brauchte sie. Aber was war mit ihm?
    »Du trägst eine Teilschuld an dem hier«, murmelte Naomi und wischte Chengs Bild aus ihrem Kopf.
    »Nein, das ist nicht korrekt.«
    Erschrocken flog Naomi herum. Sam stand im selben Gang zwischen den Rebstöcken und trug eine sportliche Tasche aus cremefarbenem Leinen in der Hand. Ihr wurde mulmig. Was mochte sich wohl darin befinden? Gerten, Krokodilklemmen, Liebeskugeln, Analplugs …
    Ein einzelner Schweißtropfen lief zwischen ihren Schulterblättern herab. Sie schob das auf die Nachmittagshitze. Doch die Sonne hatte auch etwas Gutes, sie versetzte Naomi in Urlaubsstimmung. Dadurch wurde sie etwas lockerer, aber nicht entspannt genug. Ihr Brustkorb wogte auf und ab, ihr Herz pochte aufgeregt, und es kribbelte in ihrer Spalte.
    Er ließ die Tasche einfach fallen. Der trockene Boden wirbelte auf. »Ich nehme alle Schuld allein auf mich und entbinde dich jeglicher Verantwortung.«
    Naomi fiel die vertrauliche Anrede auf. Sie war wohl angebracht, da sie in Kürze intim werden würden. Sam sah atemberaubend aus! In diesem Moment hatte er nichts von einem Peitsche schwingenden Sadisten in schwarzem Lederoutfit, sondern wirkte mit seiner weißen Baumwollhose und dem hellen Baumwollhemd beinahe sanft. Glücklicherweise erweckte er nicht den Eindruck, sie mit Haut und Haaren verschlingen zu wollen.
    Ihr Puls beruhigte sich wieder, doch das Prickeln in ihrem Unterleib nahm zu.
    Prüfend schaute er sich um. Da er offensichtlich zufrieden mit diesem Ort war, zog er den Reißverschluss seiner Tasche auf. Er entlockte Naomi ein erleichtertes und gleichzeitig verlegenes Lächeln, als er statt irgendwelcher Lustfolterinstrumente einen Batterie betriebenen Schredder herausholte und ihn demonstrativ in den Schatten einer Weinrebe stellte. Es folgte ein Blatt Papier. Er hielt es kurz hoch, damit Naomi die Überschrift Raquel und Chase lesen konnte und legte es auf den Schredder. Die Tasche war jedoch nicht leer.
    Naomis Aufregung nahm wieder zu. Sam wollte sie zwar nicht verschlingen, aber er blieb ein Wolf im Schafspelz.
    Samuel machte einen Schritt auf sie zu, verschränkte seine Arme vor dem Brustkorb und nickte. »Zieh dich bitte aus.«
    Hatte er »bitte« gesagt? Überrascht folgte Naomi seiner Aufforderung. Sie hatte mit schroffen Befehlen gerechnet. Aber eben weil er sich höflich verhielt, konnte sie nicht anders als, die Spaghettiträger ihres Seidenkleids von den Schultern zu streifen. So hatte Cat sie

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