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Gebieter der Dunkelheit

Gebieter der Dunkelheit

Titel: Gebieter der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Henke
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kommst du endlich zurück? Pinpoint Precision braucht dich. Du weißt doch, dass du unersetzlich bist, Darling.«
    »Und was ist mit dir? Fehle ich dir nicht?«
    »Natürlich mir auch«, beeilte er sich zu sagen. »Das ist doch selbstverständlich. Ich muss es nicht extra erwähnen, oder?«
    In Naomis Ohren klang er wenig überzeugend.
    Während er sie auf den aktuellen Stand laufender Verfahren brachte, gähnte Naomi ständig. Das machte ihn sauer. Ebenso ihre Ankündigung, noch etwas mehr Zeit für sich zu brauchen. Er beendete das Telefonat mit einem frostigen »Bye«. Seltsamerweise belastete Naomi der Streit nicht einmal. Sie schob es auf ihre Müdigkeit, zuckte nur mit den Achseln und zog sich an.
    Im Moment konnte sie ohnehin nur an eins denken. Kaffee. Heißen, duftenden, starken Kaffee. Träge schlenderte sie ins Erdgeschoss. Da sie Stimmen hörte, ging sie nicht als Erstes in die Küche, sondern bog nach links ab. Die Tür zum Speisesaal stand einen Spaltbreit offen. Carol und Jillian saßen plaudernd am Kopf der großen Tafel und frühstückten. Doch gerade als Naomi die Tür aufstoßen wollte, sagten ihre Tante und ihre Cousine etwas, das sie in ihrer Bewegung erstarren ließ.
    »Nimm es dir nicht so zu Herzen.« Jill drückte liebevoll die Hand ihrer Mutter.
    Zuerst seufzte Carol, dann quälte sie sich ein Lächeln ab. »Es ist nicht richtig, so zu denken, ich weiß. Ich versuche mich mit viel Arbeit von diesen falschen Gedanken abzulenken, aber sie sind so stark wie seit langem nicht mehr.«
    Jill tätschelte Carols Hand, nahm ein Brötchen aus dem Brotkorb und legte es auf ihren Teller. Während sie es aufschnitt und ihr Blick über den Tisch schweifte, anscheinend überlegend, welchen Aufschnitt sie nehmen sollte, sagte sie: »Das Kind kann nichts dafür.«
    »Das weiß ich doch alles«, beeilte sich ihre Mutter zu sagen und reichte ihr die Käseplatte, aber ihre Tochter lehnte dankend ab. »Ich möchte es auch nicht bestrafen, indem ich ihm aus dem Weg gehe. Ehrlich, ich bin selbst erstaunt, dass die Sache wieder hochgekommen ist. Sie war längst abgeschlossen.«
    »So etwas ist nie abgeschlossen. Das Kind existiert nun mal, und Dad wird sich immer darum kümmern, dass es ihm gutgeht.« Jillian griff nach der Butter und der Quitten-Marmelade.
    Diesmal erreichte Carols Lächeln auch ihre Augen. »Er ist ein guter Mann. Verantwortungsbewusst. Bitte, versprich mir, dass er nichts von unserem Gespräch erfährt. Ich werde alleine mit meinen Gefühlen fertig.«
    »Du bist nicht alleine, Mom. Du hast mich.« Geräuschvoll schob Jillian ihren Stuhl zurück, stand auf und ging zu Carol, um sie in den Arm zu nehmen.
    Hatte Naomi richtig gehört? Interpretierte sie das Gespräch korrekt? Konnte es tatsächlich sein, dass ihr Onkel ein uneheliches Kind hatte? Naomi hörte das erste Mal davon und fragte sich, ob ihre Mutter davon wusste. Aber sie würde Cat unter keinen Umständen anrufen, denn ihre Mom würde sich sofort in ihr Auto setzen und ins Valley kommen. Ihre überfürsorgliche Art würde alle in den Wahnsinn treiben und unnötig Staub aufwirbeln. Carol lehnte einen Familienrat ab. Außerdem hätte Naomi zugeben müssen, gelauscht zu haben, und sie brauchte Ruhe, um über Sam nachdenken zu können – natürlich nur darüber, wie sie sich von der Abmachung befreien konnte, ohne ihre Familie ans Messer zu liefern. Nicht über die außergewöhnlichen sexuellen Erfahrungen, die sie bald machen würde.
    Als sie auf dem Gang Schritte hörte, flog sie herum. Rosamar stand mit großen Augen und einer Thermoskanne hinter ihr und runzelte die Stirn. Rasch legte Naomi den Zeigefinger an ihre Lippen. Sie ging in die Küche und winkte ihr, damit die Köchin ihr folgte.
    »Carol und Jillian besprechen etwas Wichtiges«, hastig fügte sie an, »geschäftlich selbstverständlich, und da sollten wir nicht stören.«
    Rosa blieb skeptisch, nickte jedoch und stellte die Kanne auf die Arbeitsfläche. »Ich bringen den grünen Tee für Señora Brookstone in fünf Minuten rein. Für Sie wurde ein Brief abgegeben, Señora Coffin.«
    »Von wem?« Cheng war kein Mann, der seine Gefühle auf der Zunge trug. Hatte er ihr vielleicht geschrieben, um sie zu bitten, seinetwillen heimzukommen, und um sich sogar für sein Fehlverhalten nach der Feier von Richter Gleason zu entschuldigen? Auf der anderen Seite war er jedoch niemand, der altmodische Briefe schrieb, sondern alles über E-Mail regelte, und er wusste, dass sie ihr Laptop

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