Gebieter des Sturms (German Edition)
Keiner der Soldaten. Ein Diener von Aubrey und Naida? Niniane blickte zu Durin hinüber. Das Gesicht des Dunklen Fae wirkte niedergeschlagen.
Ich habe auch schon jemanden getötet, den ich mochte, hatte Carling gesagt. Ich habe jemanden getötet und es bedauert.
»Sie haben es getan«, sagte sie zu ihm. »Sie haben Arethusa getötet. Sie war Ihr befehlshabender Offizier. Sie hat Ihnen vertraut, und Sie haben sie getötet. Wie konnten Sie das tun?«
Durin sah sie kurz mit rot geränderten Augen an, dann wandte er den Blick ab.
»Er hat es zum Wohle der Dunklen Fae getan«, sagte Naida. Sie erreichten vier angebundene Pferde, die gezäumt, aber nicht gesattelt waren. Naida brachte Niniane mit einem Ruck zum Stehen. »Lass die Hände oben!« Zu Durin sagte sie: »Durchsuche sie nach Waffen!«
Durin steckte sein Schwert in die Scheide und tastete Niniane ab. Er erledigte die Durchsuchung ebenso schnell und fachmännisch wie alles andere. Als er die kleinen Stiletts aus ihrer Tasche zog, seufzte sie. Er verstaute die kleinen Messer samt Scheiden in seinem Hemd. Nachdem er sie entwaffnet hatte, fesselte Durin ihr mit einem Lederband die Hände hinter dem Rücken, und zum ersten Mal konnte sie Naida ansehen.
Die kultivierte, makellose Erscheinung der Dunklen Fae war dahin, ihre robuste Reisekleidung zerknittert. Auf einer Schulter trug sie eine Ledertasche. Sie sah erschöpft aus, und ihr sonst glatt anliegendes Haar war zerzaust. Falten der Anspannung verunzierten ihre blasse Haut. Kurz: Sie sah beschissen aus.
Niniane brachte zwischen den Zähnen hervor: »Ich bin etwas überrascht, dass Sie diese ganzen Strapazen auf sich nehmen. Warum haben Sie mich nicht längst umgebracht?«
»Ich wünschte, du wärst gleich beim ersten Versuch gestorben, aber jetzt ist die Lage nicht mehr so einfach. Ehrlich gesagt wünschte ich, du wärst niemals wieder aufgetaucht«, sagte Naida. Teilnahmslos ließ sie den Blick kurz über Niniane gleiten, bevor sie wegsah. »Du hättest in der Vergangenheit bleiben sollen, zusammen mit dem Rest deiner Familie. Es reicht nicht, dich einfach nur zu töten. Wir müssen auch selbst überleben, damit wir meinen Mann auf den Thron setzen können, wo er hingehört.« Die völlige Abgebrühtheit in Naidas Stimme ließ Niniane den Atem anhalten. Durin hatte ihr die Hände so fest zusammengebunden, dass sie schnell das Gefühl in den Fingern verlor. Sie verdrehte die Handgelenke, um an die Knoten zu kommen, schaffte es aber nicht. Doch die Schnur war aus Leder, früher oder später würde sie sich dehnen. Sie bewegte die Handgelenke hin und her.
Zwei der Pferde trugen Satteltaschen auf dem Rücken. Warum waren sie nicht gesattelt? Sie hätte gewettet, dass dafür keine Zeit mehr geblieben war. Naida, Durin, Aubrey und Ryle – und wer sonst noch mit ihnen zusammenarbeitete – mussten spontan auf die Situation reagiert haben. Glaubten sie wirklich, dass sie eine Chance hatten, in Freiheit und ohne Verfolger davonzukommen?
Sie sagte: »Das wird nicht so laufen, wie Sie sich das vorstellen.«
»Glaubst du nicht?« Naida schüttelte den Kopf. »Wir müssen mit den Mitteln improvisieren, die wir vorfinden.«
Sie sah zu, wie sich Naida hinkniete und ihre Tasche auf den Boden legte. »Naida, hören Sie mir zu«, sagte sie. »Das alles ist völlig außer Kontrolle geraten. Es sind zu viele Leute daran beteiligt. Da sind Carling und die anderen Vampyre, Kellen, Tiago und die Wächter, von den übrigen Soldaten ganz zu schweigen. Sie werden niemals vergeben oder gar vergessen, was Durin Arethusa angetan hat.«
Aus den Augenwinkeln sah sie Durin zusammenzucken. War das eine Schwäche, die sie ausnutzen konnte? Etwas Warmes lief über ihre Hände, und sie stellte fest, dass sie sich die Haut an den Handgelenken aufgescheuert hatte. Wie gut, dass sie kaum etwas davon spürte! Vielleicht würde das Blut, wenn es in das Leder eindrang, helfen, das Material zu dehnen. Okay, das war vielleicht weit hergeholt, aber sie hatte keine andere Wahl, als es zu versuchen. Sie drückte das Kinn auf die Brust und fuhr fort, ihre Handgelenke hin und her zu drehen.
»Die beiden einzigen Personen, die wir aufhalten müssen, sind du und dein schmutziges Tier«, sagte Naida.
Schmutziges Tier. Sie zog das Kinn noch enger an und dachte ernsthaft über ein paar Kopfstöße nach. Offenbar wollte Naida sie nicht direkt töten. Mit einem richtig guten Treffer hätte sie ihr die adlige Nase brechen können.
Naida fuhr fort:
Weitere Kostenlose Bücher