Gebieter des Sturms (German Edition)
Fluss überlassen. Vielleicht war es jemand, dem Arethusa vertraute, oder aber zumindest jemand, den sie nicht als Bedrohung angesehen hat. Es könnte auch jemand gewesen sein, der in der Lage war, sich von hinten anzuschleichen und sie zu überraschen. Eine dieser Varianten muss zutreffen. Arethusa hätte nicht jedem x-Beliebigen den Rücken zugedreht.«
Der Gedanke an eine derart ruhige, berechnende Bosheit ließ Niniane erschaudern. Tiago legte eine Hand an ihre Wange. Unter ihren Haaren umfassten seine Finger ihren Nacken, während er mit dem Daumen ihr Gesicht streichelte. Mit dem Kinn deutete er auf den Manila-Umschlag auf dem Boden und sagte zu Aryal und Rune: »Seht euch an, was Arethusa einem ihrer Männer für mich hinterlassen hat!
Aryal zog das Scheckbuch und die Papiere heraus. Sie hielt die Unterlagen so, dass Rune sie ebenfalls anstarren konnte. Halblaut sagte Rune: »Da haben wir ja unser Motiv, Baby.«
»Ich setze mir das folgendermaßen zusammen«, sagte Tiago. »Jemand bearbeitet Geril und bringt ihn dazu, einen Anschlag auf Niniane zu verüben. Dieser Jemand hat auch Zugang zu Uriens Villa, findet in dessen Unterlagen diese Scheinfirma und beschließt, sie zu nutzen. Wenn Geril Erfolg hat, wird er bezahlt. Kommen die Zahlungen bei den Ermittlungen zu Ninianes Tod ans Licht, werden die Wyr beschuldigt. Aber Arethusa hat mit uns gesprochen, deshalb hat sie ihre Nachforschungen nicht eingestellt, wie der Täter es erwartet hatte, und dann ist sie auf diese Dokumente gestoßen. Sie bewahrte Stillschweigen darüber, weil sie zwar wusste, dass einer der Dunklen Fae dahintersteckte, sich jedoch nicht sicher war, wer.«
»Sie hätte nicht genügend Autorität gehabt, um Aubreys oder Kellens Besitztümer zu durchsuchen – nicht, ohne einen großen Skandal auszulösen«, sagte Niniane. »Wenn das passiert wäre, hätten wir davon gehört.«
»Und wir sind nicht in Schande davongeschlichen, wie man es von uns erwartet hatte«, sagte Rune. Er beugte sich vor, die Ellbogen auf die Knie gestützt. »Also, was glaubt ihr, könnte jemand bemerkt haben, dass diese Dokumente fehlen? Ich frage mich, wo Arethusa sie gefunden hat.«
»Unser Jemand hätte etwas so Belastendes nicht bei sich behalten wollen«, sagte Tiago. »Er hat die Dokumente vermutlich an ihren Fundort zurückgelegt, um sie gegebenenfalls noch einmal benutzen zu können. Oder noch besser: Er hat sie irgendwo anders versteckt. In einer Abstellkammer oder zwischen den Handtüchern in einem Wäscheschrank. Es war ein großes Haus, in dem es eine Menge Verstecke gab.«
»Unser Jemand geht gern auf Nummer sicher«, sagte Rune. »Aber er hat noch einen Fehler gemacht, indem er diese Dokumente nicht vernichtet hat.«
Aryal gähnte. Sie hatte sich auf dem Boden ausgestreckt und die Knöchel ihrer langen Beine überkreuzt. Mit schläfriger Stimme sagte sie: »Ich könnte anfangen, die Leute zu ohrfeigen. Früher oder später würde jemand den Mund aufmachen.«
Niniane war so müde. Die Erschöpfung war tief in ihre Knochen gekrochen und zu einem kalten Schmerz geworden, der an ihren Lebensgeistern zerrte. Es war diese Erschöpfung, die ihre Augen überlaufen ließ. So musste es sein.
Sie sagte: »Ich weiß nicht, warum ihr alle so zurückhaltend seid. Es sieht euch nicht ähnlich, um etwas herumzutänzeln, anstatt es einfach auszusprechen.«
Tiagos Arme spannten sich. Er hielt sie mit seinem gesamten Körper fest, doch es war Rune, der fragte: »Was meinst du damit, Winzling?«
»Jeder in dieser Villa hätte die Dokumente finden können«, sagte sie. »Aber wahrscheinlich war es derjenige, der für die Prüfung von Uriens Finanzunterlagen und alle anderen finanziellen Belange der Dunklen Fae zuständig war.«
Aryal blickte Niniane mit schräg gelegtem Kopf an. In der Miene der Harpyie lag ein seltener Ausdruck von Mitgefühl.
Rune sagte: »Du glaubst, dass Kanzler Aubrey der Mörder ist.«
»Ich möchte es nicht glauben«, sagte sie. Ihre Stimme klang schwach und so kalt, wie sich ihr ganzer Körper anfühlte. »Aber ihn ohne Beweise zu verdächtigen, wäre mehr als Grund genug gewesen, Arethusa zum Schweigen zu bringen.« Sie legte den Kopf in den Nacken und sah zu Tiago auf. »Was meinst du?«
In seinen scharfkantigen Zügen lag leise Wut, als er den Schmerz auf ihrem Gesicht sah.
Aubrey hatte zu Niniane gesagt: Wenn ich gewusst hätte, dass Sie noch am Leben sind, hätte ich nie aufgehört, nach Ihnen zu suchen. Es hatte wie die Wahrheit
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