Gebieter des Sturms (German Edition)
unmenschliche Stärke voller Spannkraft verbarg. Rhoswen war verschwunden, vielleicht um ihrer Herrin zu dienen.
Sie konnte ihn in Gedanken ebenso wenig weiterhin den Treppenhaus-Vampyr nennen, wie sie von Carling als dem Stepford-Vampyr denken konnte. Sie fragte: »Wie heißen Sie?«
»Duncan«, sagte er.
»Freut mich, Sie kennenzulernen, Duncan.«
»Danke, Hoheit!« Er sah sie mit aufmerksamem, dunklem Blick und ruhiger, neutraler Miene an. »Freut mich ebenfalls.«
»Als Sie heute Nachmittag aus dem Treppenhaus zurückkamen, war ich froh, dass sie zuerst in Carlings Richtung gesehen haben und nicht wieder auf Tiago losgegangen sind«, sagte sie. »Aber ich bin neugierig. Was hat Sie dazu veranlasst?«
Duncan sagte: »Wir haben alle gespürt, dass sie uns eingefroren hat. Zumindest die Vampyre. Bei den Menschen bin ich mir nicht sicher. Ihre Sinne sind so viel schwächer als unsere. Als sie uns befreit hat und ich in den Flur zurückkam, musste ich herausfinden, was sich verändert hatte, am besten so schnell wie möglich.«
Ninianes Augenbrauen hoben sich. Kein Wunder, dass Rhoswen kein Mitleid mit Cowan hatte. Er war zweimal gewarnt worden aufzuhören, bevor er den Kopf verloren hatte.
Duncan sprach mit leichtem, angenehmem Akzent. Normalerweise liebte sie es, sich mit anderen zu unterhalten und etwas über ihr Leben zu erfahren – oder in diesem Fall über ihre gruselige, untote Existenz – , und in ihrem Geist meldete sich der Impuls, ihm weitere Fragen zu stellen. Der Impuls verblasste beinahe sofort. Sie war nicht in der Lage, sich gesellig zu geben.
»Also, was muss ein Mädchen tun, um hier etwas zu trinken zu bekommen?«, fragte sie.
»Es braucht lediglich zu äußern, was es möchte«, sagte Duncan. Er lächelte ihr zu. »Es wird mir ein Vergnügen sein, ihm zu bringen, was immer es wünscht.«
Er hatte ein attraktives Lächeln und ein angenehmes Auftreten. Niniane war jedoch nicht so dumm zu glauben, dass das die einzigen Qualitäten waren, die ihm einen Platz in Carlings Gefolge eingebracht hatten. »Ich hätte gern eine Flasche Rotwein, bitte«, sagte sie.
»Irgendetwas Besonderes? Merlot? Beaujolais, Syrah?«
Sie sagte: »Mit Alkohol reicht vollkommen.«
Sie trat auf die mit Schiefer geflieste Terrasse hinaus, auf der Töpfe mit Bäumen und Sträuchern hübsch um einige schmiedeeiserne Tische und Stühle arrangiert waren. Sie setzte sich und blickte über die Lichter der Stadt, eine warme Brise spielte mit ihrem Haar. Einige Minuten später brachte Duncan ein Tablett hinaus. Er stellte ein Glas Wein vor ihr ab und sagte halblaut: »Vielleicht ein Malbec?«
»Vielen Dank«, sagte sie.
Er stellte eine Flasche sowie eine Auswahl an Käse, Crackern und Obst auf den Tisch. Sie dankte ihm abermals und wünschte, er würde gehen. Er lächelte sie noch einmal an, bevor er sich zurückzog und sich neben der Tür aufstellte.
Im Augenblick fühlte sich die Last ihres Lebens zu schwer an, um sie aufzunehmen und zu analysieren. Sie nippte an ihrem Wein und versuchte nur im Hier und Jetzt zu bleiben, doch ihre Gedanken konnte sie nicht abschalten.
Sie sollten sorgsam überlegen, wohin Sie Ihren nächsten Schritt setzen, Niniane. Sie befinden sich gerade an einem sehr fragilen Punkt.
Oh ja, vielen Dank für die Erinnerung, Carling! Als ob ich das noch nicht bemerkt hätte.
Sie kippte den Inhalt ihres Glases hinunter und rieb sich die Stirn. Das Positive war: Ihre Identität war ohne Probleme verifiziert worden, die stand also nicht mehr infrage. Niemand würde ihr den Thron streitig machen.
Wow, das war die positive Seite? Das war alles , was auf der positiven Seite stand?
Auf der negativen Seite: Außer ihrer Beziehung zu den Wyr (die nicht in Gefahr war) hatte sie keine starken Bündnisse, auf die sie sich mit einem gewissen Maß Zutrauen stützen konnte, sie besaß keine nennenswerte echte magische Energie, und sie hatte sich über lange Zeit von der Politik und Gesellschaft der Dunklen Fae entfremdet. Sie hatte keine Ahnung, wem aus der Delegation sie trauen konnte.
Und ihre Beziehung zu den Wyr war eine Fernbeziehung. Auch ihr Vater hatte ein gutes Verhältnis zu den Wyr gepflegt, doch das hatte weder ihn noch seine Familie gerettet.
Sie steckte wirklich bis zum Hals in der Scheiße. Wenn sie eine Wette abschließen müsste, würde sie sich weniger als ein Jahr geben.
Dann kam ihr ein Gedanke. Vielleicht hätte ihr lieber toter Cousin Geril nicht versucht, sie umzubringen, wenn sie
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