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Gebieter des Sturms (German Edition)

Gebieter des Sturms (German Edition)

Titel: Gebieter des Sturms (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Harrison
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und sei es nur in der Erinnerung an das, was geschehen ist. Und jemand sollte es aussprechen: Diese Kinder hatten etwas Besseres verdient.«
    Carling senkte den Blick. Ihre anmutig geschwungenen Brauen zogen sich zusammen. Sie sagte: »Sie haben recht, natürlich. Das hatten sie.«
    Sie hatte zu lange geschlafen, doch es war kein erholsamer Schlaf gewesen. Ihre Augen fühlten sich trocken an und juckten. Mit den Handballen rieb sie sich die Lider. »Es ist vor so langer Zeit geschehen, und es war nicht Tiagos Absicht, etwas Falsches zu tun. Das wissen Sie, nicht wahr?«
    Wieder machte Carling eine Geste. Bei ihr wurde diese Bewegung von wenigen Zentimetern zu Poesie.
    »Glauben Sie, Sie könnten versuchen, Ihren Groll vorübergehend ruhen zu lassen?«, fragte Niniane. »Ich bitte Sie um diesen Gefallen, um eine Allianz zwischen uns aufzubauen.«
    »Sie mögen ihn.« Sie sprach, als würde sie die Worte auskosten, während sie Niniane voller Neugier anblickte.
    Es hatte keinen Sinn, es zu leugnen. »Ja.«
    »Selbst nachdem er Ihnen die Wahrheit über den zweiten Angriff vorenthalten hat?«
    Sie seufzte. »Ja.«
    Ein Anflug von Missmut legte sich über Carlings Gesicht. Der jugendliche, ungestüme Ausdruck war eine verblüffende Unstimmigkeit inmitten ihrer so disziplinierten, gereiften Perfektion. Mürrisch sagte die Vampyrin: »Also gut! Ich werde ihm nichts tun, solange er nicht versucht, mir etwas zu tun.«
    Niniane sackte in ihrem Sessel zusammen. »Danke«, sagte sie. »Das bedeutet mir sehr viel.«
    Carling blickte sie fest an. »Vielleicht bedeutet es Ihnen zu viel. Sie sollten sorgsam überlegen, wohin Sie Ihren nächsten Schritt setzen, Niniane, und wem Sie Ihr Vertrauen schenken. Sie befinden sich gerade an einem sehr fragilen Punkt.«
    Ihr Rückgrat versteifte sich. »Ich weiß sehr gut, an welchem Punkt ich stehe.«
    Der Gesichtsausdruck der Vampyrin wurde weicher. »Ich weiß, Sie möchten nicht glauben, dass Dragos etwas mit dem Anschlag zu tun hatte. Ich habe Ihren inneren Kampf gespürt.«
    »Sie können … meine Gefühle spüren?«
    »Ja, natürlich. Bei uns Vampyren werden die Sinne mit dem Alter immer präziser. Die Ältesten von uns verlieren schließlich den Geschmack an Blut und ernähren sich von den Emotionen derer, die in ihrer Nähe sind. Ich habe jetzt schon seit mehreren Jahrhunderten kein menschliches Blut mehr zu mir genommen.«
    Du meine Güte! Carling war ein Sukkubus. »Sie nehmen also wahr, was andere empfinden.«
    Carling zuckte die Schultern. »Jedenfalls die Gefühle von Lebenden. Andere Vampyre sind mir nahrungstechnisch nicht von Nutzen.«
    Was für eine aufdringliche Fähigkeit! Ninianes Stirn legte sich in Falten. Nun, das erklärte, wie strahlend die Vampyrin diverse Male an diesem Tag ausgesehen hatte. Sie fragte sich, wie die zerklüftete Landschaft in ihrem Inneren einem Sukkubus wohl schmecken würde. Konnte sie für Carling ebenso bitter sein wie für sie selbst?
    Würde Carling ihr sagen, was Tiago für sie empfand, wenn sie danach fragte? Würde die Vampyrin ihr verraten, ob diese Traurigkeit, die sie in seinen Augen gesehen zu haben glaubte, bevor er gegangen war, echt oder vorgetäuscht gewesen war? Sie ballte die Fäuste und presste die Kiefer zusammen, bis ihre Zähne schmerzten, damit sie diese erbärmliche Frage nicht wirklich stellte.
    Nicht, dass dieses Wissen etwas an dem Geschehenen ändern oder Tiago zurückbringen könnte.
    In die kleine Stille, die sich über sie gelegt hatte, sagte Carling: »Nach zweihundert Jahren Asyl bei den Wyr werden Sie glauben wollen, Sie hätten unzerstörbare Bande mit ihnen geknüpft. Aber vergessen Sie nicht: Was für Sie beinahe das ganze Leben war, ist für jene von uns, die schon so viel länger leben, keine gar so lange Zeit.«
    Ninianes Mund spannte sich. »Ich bin mir meiner relativen Jugend und Unerfahrenheit ebenfalls bewusst, vielen Dank!«
    »Es war nicht meine Absicht, auf Ihre Unerfahrenheit anzuspielen oder Ihnen ein Gefühl der Unzulänglichkeit zu vermitteln«, sagte Carling. »Und ich habe keine Lösung für die Herausforderungen, vor denen Sie stehen. Ich wollte Sie lediglich warnen und Ihnen einen Denkanstoß geben. Es wurden schon stärkere und ältere Bündnisse gebrochen, und die Große Bestie ist älter als wir alle. Dragos ist alt und gerissen. An erster Stelle werden für ihn immer die Wyr stehen, und Sie sind keine Wyr.«
    Wollte Carling ihr wirklich einen Denkanstoß geben, oder versuchte sie,

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