Gebissen
unheimlich still.
Zahlreiche dicke, grau melierte Säulen stützten die Decke der Station, Lampen in der Form von Viertelkreisen waren um sie in den Beton eingelassen, doch nicht eine von ihnen brannte. Die Luft war kühl und schmeckte nach Baustelle; Alex hatte das Gefühl, als würde sich feinster Staub auf seine Zunge und die Innenwände seiner Nase legen.
Am Rand der tiefer gelegenen Passagen, in denen irgendwann die Gleise verlegt werden würden - sollte Berlin vorher nicht völlig pleitegehen -, waren Absperrzäune errichtet worden, die aus im Boden versenkten Eisenstangen mit Aufhängungen und dort eingeführten roten Eisenrohren als Querstreben bestanden.
Danielle zerrte eines dieser etwa drei Meter langen Rohre heraus und brach es in der Mitte entzwei. »Nimm dir auch eins.«
»Wozu das?«
»Wir müssen sein Herz in der Erde festnageln, bevor wir es verbrennen.«
»Braucht man dazu nicht einen Holzpflock?«, setzte Alex an, doch noch bevor sie etwas erwidern konnte, winkte er selbst ab.
Die Kreatur in der Scheune hatten sie damals mit einer Heugabel festgesetzt, mit Zinken aus Eisen. Unwillkürlich rieb er über seine Narbe, die seit Tagen kaum noch gejuckt hatte.
Was wir damals mit zehn geschafft haben, das wird mir doch als Erwachsener gelingen, dachte er. Aber damals hatten sie keine Angst gehabt, oder nicht mehr als vor einem Hund, und Jochen und Franz hatten ihm einfach nur zur Hilfe eilen wollen. Jetzt hatte Alex Angst, der schnelle Herzschlag stammte nicht vom Koffein allein. Die Kreatur in der Scheune war ein Wesen gewesen, das Danielle für zu klein für Niederbachingen gehalten hatte, ein Wesen, das aus dem Blut eines wenige Höfe umfassenden Weihers gewachsen sein konnte, aus den zwei Einsiedlerhöfen bei den Fischweihern. Und jetzt versuchten sie, den Blutvater Berlins zu töten, der sich von dem Blut und den Tränen von dreieinhalb Millionen nährte. Ganz zu schweigen von Hunderttausenden Touristen.
Wie groß würde er sein?
Alex war flau im Magen, er setzte Kanister und Plastiktüte ab und löste ein Eisenrohr aus der Verankerung. Es war nicht ganz so leicht, wie er gedacht hatte, aber auch keine ernstzunehmende Waffe gegen ein Wesen so groß wie Berlin.
So groß wie Berlin, das war Irrsinn.
Mit dem Rohr in der Hand sprang er in die Rinne für die Bahn hinab, wo er es mit einem Ende auf einen kleinen Sockel legte. Dann trat er mit dem Fuß auf die in der Luft schwebende Mitte und drückte sie zu Boden, knickte so das Rohr in zwei Teile. Er hob sie auf und schwenkte sie misstrauisch durch die Luft.
»Wie groß war der Blutvater von Sodom?«, fragte er, obwohl er es eigentlich gar nicht wissen wollte. So groß wie eine Stadt konnte er einfach nicht gewesen sein.
»Groß«, antwortete Danielle knapp, die offenbar auch nicht darüber reden, sich nicht erinnern wollte. Auch sie wirkte angespannt. Sie reichte ihm beide Kanister und die Tüte sowie ihre beiden Rohre herunter, dann sprang sie zu ihm hinab.
»Ziemlich viel Zeug, was wir da mitschleppen. Auf eine Verfolgungsjagd sollten wir uns nicht einlassen«, versuchte Alex zu scherzen, doch ein Grinsen wollte sich nicht auf seinen Lippen zeigen.
Auch Danielle nickte nur knapp.
»Der rechte Tunnel dürfte unserer sein. Der führt näher an den Reichstag heran«, sagte sie.
Alex leuchtete einmal im Gleistunnel zurück, der Strahl der Taschenlampe tanzte über den blanken Boden und verlor sich irgendwo in der Schwärze Richtung Hauptbahnhof. Auch in dieser Richtung verliefen noch keine Gleise. Niemand war zu sehen.
Dann wandte er sich nach vorn und schloss rasch zu Danielle auf. Feiner heller Staub lag auf dem Boden, und kurz bevor sie die Station verließen, entdeckte er einen verbogenen Nagel an der linken Kante. Anderes Werkzeug oder Überbleibsel von den Bauarbeiten hatte er nirgendwo bemerkt. Der Ort war verlassen und still. Über viele Meter erstreckte sich der Tunnel schnurgerade vor ihnen, bis er in einer sanften Kurve nach links schwenkte. Die nächste Haltestelle lag außerhalb ihrer Sichtweite. Zu zweit wirkten sie hier unten fast verloren, und Alex fragte sich, wie viele Vampire sich wohl beim Herzen des Blutvaters aufhalten mochten. Mindestens vier hatten ihm vor Lisas Wohnung aufgelauert - was würden sie tun, wenn hier zwanzig oder dreißig auf sie warteten?
»Wie wollen wir ihn überhaupt finden?«, fragte Alex.
»Mit unseren Ohren und den Fingerkuppen. Und mit deinem Blut«, antwortete Danielle ohne irgendeine
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