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Gebissen

Gebissen

Titel: Gebissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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war sein Mund ausgedörrt.
    »Weiter! Komm!«, rief Danielle von der anderen Seite des Autos her und winkte ihn die Straße hinunter.
    »Aber ...« Er schüttelte sich, der Durst war verschwunden, ihm war flau im Magen, und auf der pelzigen Zunge hatte er einen ekligen Geschmack nach Vergammeltem. Er sah das Blut an, die tote Frau, und fühlte Mitleid, keinen Durst. Er wurde wütend.
    »Wir haben keine Zeit! Oder meinst du, der ist zufällig auf uns zugerast?«
    »Nein, natürlich nicht, aber wir müssen ...«
    »Wir müssen den ganzen Wahnsinn stoppen! Ruf den Krankenwagen im Weiterlaufen. Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren.«
    Alex trat fluchend gegen das Auto und zerrte das Handy aus der Tasche. Nur mühsam konnte er den Blick von der Toten lösen, von ihrem aufgeplatzten Kopf. Eine völlig Unbeteiligte, die nichts getan hatte, als im falschen Auto zu sitzen. Warum hat sich die blöde Kuh nicht angeschnallt?, dachte Alex, doch seine Wut richtete sich gegen einen anderen.
    »Dafür zahlst du«, knurrte Alex und spuckte auf den Boden. »Du wirst brennen.«
    Er wählte den Notruf und lief los. Wusste der Blutvater, wo sie waren? Oder hatte hier nur zufällig ein Alptraum zugeschlagen, einer, der eigentlich ihm gegolten hatte, hätte er inzwischen nicht mehr Koffein in den Adern als Blut?
    Eine ruhige Stimme meldete sich bei der Notrufstelle, und Alex gab den Unfallort durch und dass es wohl eine Tote gab und einen Verletzten. Dann beendete er die Verbindung.
    Sie überquerten die behäbige Spree, spurteten am Bundeskanzleramt vorbei, das ihn immer an ein Hindernis einer Minigolfanlage für Riesen erinnerte, und eilten auf das nur noch zwei-, dreihundert Meter entfernte Reichstagsgebäude zu, dessen erleuchtete Glaskuppel weithin sichtbar war.
    »Und jetzt?«, fragte Alex und überließ damit wieder Danielle das Kommando.
    »Da drüben geht’s runter.« Danielle deutete auf eine abgesperrte Rampe und Treppe, die nahe dem Bundestag in die Tiefe führte. Die Wände waren jungfräulich weiß, die Stufen blanker hellgrauer Beton. Rasch blickten sie in alle Richtungen, dann kletterten sie über die Absperrung und stiegen in die Tiefe.
    Am Ende der Treppe wandten sie sich nach rechts, wo ihr Weg schon nach wenigen Metern vor einer improvisierten Wand aus dicken Spanplatten endete, in die eine Tür eingelassen war. Mehrere Tags prangten an der Wand. Alex rüttelte vergeblich an der Tür, sie war natürlich verschlossen.
    »Lass mich.« Danielle schob ihn zur Seite und setzte das Brecheisen an. Mit einer lockeren Bewegung aus dem Handgelenk hebelte sie das Schloss aus dem Holz und drückte die Tür auf.
    Sie schlüpften hindurch und zogen die Tür wieder zu, klemmten sie mit drei Steinchen vom Boden fest, damit auf den ersten Blick nicht auffiel, dass sie aufgebrochen war.
    Hinter der Wand war es stockdunkel, Alex sah trotz seiner neuerdings außergewöhnlichen Sehfähigkeit kaum etwas. Mit tastenden Fingern kramte er eine Taschenlampe aus der Tüte und schaltete sie ein. Ein weißer Lichtkreis erschien auf der Betonwand vor ihm, und seine Sicht kehrte zurück. Das Licht der Lampe reichte aus, um auch in den düstersten Ecken etwas erkennen zu können.
    »Weiter«, drängte Danielle und eilte die nächste Treppe hinab, die zu den für 2010 oder 2011 oder wann auch immer geplanten Bahnsteigen hinabführte. Ihre Schritte waren schnell und sicher, auch sie schien mit wenig Licht gut auszukommen. Alex klemmte die Lampe in den kurzen Rüssel, der am Kanister festgemacht war, um die Hände frei zu haben für das Benzin und die Tüte, und folgte ihr.
    Das Klacken ihrer Stiefel hallte hörbar in der unterirdischen Halle, die den zukünftigen Bahnsteig der Haltestelle bildete. Alex hörte ihren Atem und seinen, das leise Schaben des Kanisters an seiner Jeans und natürlich auch seine eigenen Schritte, obschon die Gummisohlen der schwarzen Chucks viel dumpfer aufsetzten als die kurzen Absätze Danielles. Abgesehen davon herrschte hier unten Stille.
    Eine Stille, die man so sonst nicht in Städten zu hören bekam. Die mehrere Meter dicke Schicht aus Erde und Beton über ihren Köpfen schluckte jedes Geräusch von draußen. Lediglich durch den Weg, den sie hereingekommen waren, drangen nächtliche Geräusche, doch auch die waren eher zu erahnen als wirklich wahrzunehmen. Vielleicht wurden sie auch durch irgendwelche Lüftungsschächte hereingeweht, die Alex im ersten Moment nicht entdecken konnte, dennoch war es still, beinahe

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