Gebissen
Regung in der Stimme.
»Mit meinem Blut?« Alex klappte der Mund auf.
»Ja. Wir brauchen schließlich einen Köder, um ihn aus der Erde zu locken, und mein Blut geht schlecht. Wir wollen ihn vernichten, nicht erwecken.«
Alex blieb stehen. Einen Köder? Er war der Köder?
»Komm weiter!«, drängte Danielle.
»Bei dir piept’s wohl! Erst sagst du mir, was du mit meinem Blut vorhast!« Er sah sich schon auf dem kahlen Betonboden liegen, beide Handgelenke aufgeschnitten. Blut sprudelte hervor, Danielle kniete über ihm und öffnete die Wunden immer wieder, wenn sie zu verheilen drohten. Oft hatte er sich einen Selbstmord mit aufgeschnittenen Pulsadern vorgestellt, doch jetzt wollte er nicht mehr, er wollte leben.
Drei Millionen.
Verdammte drei Millionen! Er hatte keine Lust, sich zu opfern! Davon war nie die Rede gewesen, stets hatte er gedacht, sie würden kämpfen. Beide, nicht nur Danielle. Die scharfe, begehrenswerte, uralte Danielle, die von sich sagte, niemanden länger als eine Nacht begehrt zu haben - abgesehen von ihm. Wie konnte sie da ihn opfern?
Drei Millionen.
So ein Unsinn! Das war nur eine dahingesagte Zahl, niemand konnte genau wissen, um wie viele Menschenleben es tatsächlich ging. Aber es ging um viele, so viel war klar, und um Lisa. Lisa war keine Zahl, keine schlichte Eins, Lisa war fassbar, oder war es zumindest gewesen. Auch wenn sie seit der einen Nacht unerreichbar geworden war, musste er alles versuchen, sie zu retten. Alles. Sie war keine von ihnen, egal, was Sandy gesagt hatte.
Wenn Danielle ihn küsste, ihm zwischen die Beine griff und sich dann etwas wünschte, würde er es versprechen, das wusste er. Er würde ihr auch nicht abschlagen, den Köder zu spielen.
Aber wenn sie schon einen blutigen Köder brauchten, hätten sie dann nicht einfach den traumbesessenen Autofahrer hinter seinem Airback hervorzerren und mitschleifen können? Er hatte versucht, sie beide zu töten, und hatte seine Frau auf dem Gewissen. Auch wenn es natürlich nicht seine Idee gewesen war.
Alex wusste nicht, ob er ihn oder irgendeinen anderen Menschen wirklich hätte opfern können, mit voller Absicht ausbluten, um den Blutvater anzulocken. Er wusste nur, dass er nicht sterben wollte, auch nicht, um drei Millionen zu retten. Um Lisa zu retten, seine Freunde. Er wollte nicht sterben, verdammt, aber wie konnte er es verweigern, wenn es der einzige Weg war?
»Hallo!« Danielle wurde laut und wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht herum. »Danielle an Alex! Hast du mir zugehört?«
»Was? Wie? Nein ...«
»Ich sagte, wir müssen ihn aufspüren und dann mit ein wenig Blut von dir herauslocken. Ein paar Tropfen sollten genügen, mehr wären besser, aber du solltest nicht allzu geschwächt in den Kampf gehen.«
»Ähm, ja, klar.« Ein paar Tropfen also. Er schüttelte über sich selbst den Kopf. Idiot!
»Und jetzt sei mal still.«
Sie blieben stehen und versuchten, nicht das geringste Geräusch zu machen. Alex hielt die Luft an, um nicht einmal zu atmen. Doch er hörte nichts, absolut gar nichts.
Halt! Irgendwo trippelten ganz fern kleine Füßchen über den Beton, ein kaum zu vernehmendes Kratzen.
Eine Maus oder Ratte, nicht das, was sie suchten. Vorsichtig atmete er aus und sog frische Luft in die Lungen. Diese verdammte Stille machte ihn nervös. Seine Nerven waren bis aufs Letzte angespannt, er erwartete jeden Moment, dass irgendwo die Wand aufplatzte und Dutzende Vampire mit gierig aufgerissenen Mündern hervorbrachen. Das war Unsinn, und dennoch fraß sich diese Vorstellung in sein Gehirn.
Mit der Zeit vermeinte er ein leises Summen zu hören, ein Vibrieren wie das, was in der Nähe von Spannungswerken in der Luft lag, und auch unter Hochspannungsleitungen. Ein Geräusch, das man nicht richtig fassen konnte und das sich doch auf den ganzen Körper legte, ebenso fühlbar wie hörbar.
»Ich glaube ...«
»Scht!« Danielle legte das Ohr an den Beton und setzte die Fingerspitzen ganz sanft an die Wand, als wollte sie etwas ertasten. Sie schloss die Augen und verharrte einen Augenblick so. Dann löste sie sich von der Wand. »Noch ein paar Schritte weiter.«
Schweigend folgte ihr Alex. Nach vielleicht zehn Metern lauschte sie erneut. Er hielt die Luft an, hatte noch immer das Gefühl, unter einem Hochspannungsmast zu stehen.
»Hör du mal«, flüsterte Danielle.
Auch wenn Alex nicht wusste, auf was er achten sollte, schloss er die Augen und presste das rechte Ohr gegen den kühlen Beton. Er
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