Gebrauchsanweisung fuer Amerika
c’est la même chose« .
Eine geistreiche Kommentatorin der zeitgenössischen amerikanischen Szene, Anne Taylor Fleming [14] , spricht in diesem Zusammenhang recht herzlos vom Jefferson-Schwindel als der Ursache einer dieser Grundhaltungen. Thomas Jefferson ist bekanntlich der Verfasser der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, die ihrerseits weitgehend von den Idealen des Aufklärungszeitalters und vor allem den französischen Philosophen jener Epoche inspiriert ist. Doch während die pragmatischen Franzosen sich hauptsächlich um Leben und Freiheit kümmerten und die Glücklichkeit mehr oder weniger den Anstrengungen des Staatsbürgers selbst überließen, machte Jefferson das Streben nach Glücklichkeit ( the pursuit of happiness ) zu einem verbrieften Recht des Amerikaners. [15] Zugegeben, er tat es sicherlich arglos und idealistisch, doch die sich nun bereits über 200 Jahre hinweg schleppenden Folgen sind weniger harmlos. »Anscheinend bin ich immer noch nicht erwachsen«, schreibt Fleming, »denn ich erwarte immer noch, glücklich zu sein, jene seltene Kombination eines vollen Bauches und eines vollen Herzens zu empfinden, die ich als Kind hatte. Und wenn ich nicht glücklich bin, wenn meine Gemütsverfassung auch nur einen Tag lang aus dem Gleichgewicht gerät, dann kommt mir die Wut. Irgendwie fühle ich mich dann betrogen, und viele Jahre lang dachte ich, daß ich die einzige war, die an diesem Betrug litt. Nun aber bin ich überzeugt, daß fast alle Amerikaner so fühlen, daß wir Glücklichkeit nicht nur als Kinder, sondern zeitlebens erwarten und daß wir es auf Grund dieser Erwartung nicht schaffen, Unglücklichkeit mit Würde zu ertragen.«
Und das ist es, was Fleming mit dem Ausdruck Jefferson-Schwindel meint. Vielleicht hat sie recht, vielleicht aber ist das Problem viel komplexer. Vielleicht hat dieser hartnäckige Glaube an das Recht auf Glückseligkeit etwas mit der Psychologie- und Therapiesüchtigkeit der Amerikaner zu tun: Daß man seit Jahren bei einem Analytiker in Behandlung ist, ist nicht nur kein peinliches Geheimnis, sondern ein wahres Statussymbol. Zumindest zeitlich, wenn nicht auch ursächlich fällt diese Überbewertung alles Psychologischen mit dem Aufkommen des Begriffs der »permissiven Erziehung« zusammen; einer Erziehungsform, die auf der Überzeugung beruht, daß jede Versagung und jede Nötigung der zarten Kinderseele bleibenden Schaden zufügt, vollkommenes Gewähren dagegen zur spontanen Entwicklung der edelsten menschlichen Eigenschaften und daher zur Glücklichkeit im Kinde führt. Wenn der Sprößling dann aber trotzdem nicht zum Tugendbold wird, muß der Psychiater her, denn dann handelt es sich offensichtlich um eine Pathologie – und wenn das Problem auch nur schlechte Noten sind oder Marihuanarauchen.
Interessant ist auch die Geographie der psychologischen Philosophen und Theorien. Die Riesenstädte der Ostküste sind zum Teil noch Hochburgen der psychoanalytischen Orthodoxie. In westlicher Richtung dann lockert sich die Strenge der alleinseligmachenden Lehre auf, bis sie schließlich beim Erreichen der Westküste, vor allem in Südkalifornien, in ein buntes Feuerwerk exotischer und oft sehr kurzlebiger Behandlungsformen explodiert, die dann in einem großen Sprung nach Osten in Europa landen. Neben den Schulen Freuds, des halbvergessenen Adler, des besonders von der jüngeren Generation neu entdeckten Jung, neben Horney, Reich, Frankl, Berne und anderen Klassikern schießt es da gar mächtig ins Kraut: Da gibt’s die Selbsterfahrungsgruppen, die Marathonsitzungen (zwecks erhöhter Wirkung manchmal nackt im wohlig warmen Schwimmbecken), die Urschreier, die Rolfer, die Meditierer, Masseure, Vegetarier und Gesundbeter, die selbsternannten Gurus und solche, die sich eigens von einem waschechten indischen Guru ernennen ließen, die Bioenergetiker, Psychokybernetiker, die rationalen, integrativen, humanistischen, sensitiven, kreativen, implosiven, katathymen, autogenen, krisenintervenierenden, themenzentrierten, psychodramatischen Therapien und vieles mehr. Wie entgeht man bei einem derartigen Überangebot als Therapiekonsument der Qual der Wahl? Man entgeht ihr oft eben nicht, sondern besucht sowohl allein den individuellen Therapeuten, zusammen mit der Gattin den Eheberater und dann womöglich noch eine Gruppe, die sich speziell mit der Stärkung von Selbstbewußtsein und Selbstbehauptung befaßt. Diese Überdosis von Therapie macht dann nicht selten –
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