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Gebrauchsanweisung fuer Amerika

Gebrauchsanweisung fuer Amerika

Titel: Gebrauchsanweisung fuer Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Watzlawick Paul
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Neuheit wegen gut sein muß , und wenn es auch nur aus der historischen Mottenkiste kommt. Doch vom Bestehen dieser Kiste zu wissen, oder gar ihren Inhalt zu kennen, wäre unerträglich, denn dann würde es sich ja herausstellen, daß es nichts Neues unter der Sonne gibt. »New, improved« schreit es Ihnen von den Verpackungen der Ware in den Supermärkten entgegen, auch wenn – wie zum Beispiel beim Mehl oder beim Aspirin – mit Sicherheit angenommen werden kann, daß es sich um dasselbe Produkt wie seit eh und je handelt. Und der neue Jahrgang eines Wagentyps muß wenigstens einen neuen Chromschnörkel haben; die Bauweise, auf die es schließlich ankommt, mag aber seit Jahren dieselbe sein.
    Zu der utopischen Zukunftserwartung und der Verwerfung des Alten gesellt sich als weiteres Element die schon erwähnte Gleichschaltung, die Erziehung zur Kollektivität. Das glücktriefende Neue wird natürlich allen zu gleichen Anteilen gehören; individuelle Extratouren kann es da nicht geben. Vom Kindergarten an wird dem Amerikaner eingeprägt, daß er Teil einer Gruppe ist und daß die Werte, das Verhalten und das Wohl der Gruppe maßgebend sind. Andersdenken ist verwerflich, Anderssein erst recht. Die Lehrer sprechen ihre Schüler als konformes Kollektiv an, nämlich mit dem Wort class : »Class, you will now write a composition about...« – und das amorphe Wesen, die Schulklasse, beginnt, einen Aufsatz zu schreiben. Während es für den Europäer eine Beleidigung ist, ein Dutzendmensch genannt zu werden, hat der Amerikaner eine große Angst davor, von der Gruppennorm abzuweichen. Anderssein bedeutet Ausstoßung aus der Gruppe, bedeutet Ächtung. Daher vermutlich auch seine ausgesprochene Abneigung dagegen, allein im Restaurant zu sitzen, denn dies bedeutet, daß ihn niemand liebt.
    Für den weniger empfindsamen Ausländer hat das gewisse Vorteile, auf die bereits Einstein 1933 in einem Brief an die Königin Elisabeth von Belgien verwies:
    Princeton ist ein wundervolles Stückchen Erde und dabei ein ungemein drolliges, zeremonielles Krähwinkel winziger stelzbeiniger Halbgötter. Man kann sich aber durch Verstoßen gegen den guten Ton eine schöne Ungestörtheit verschaffen; dies tue ich. Die Menschen, welche die sogenannte Gesellschaft bilden, sind hier noch weit unfreier als in Europa. Es scheint aber, daß sie es nicht empfinden, weil die Lebensform die Entwicklung der Persönlichkeit von Jugend an unterbindet.
    Die Sehnsucht nach allgemein ratifizierten Entscheidungen, nach Einordnung und Anerkennung, ist vielleicht auch einer der Gründe für das Entstehen militanter, chiliastischer Kulte wie Synanon , die »Moonies« , die Church of Scientology (obwohl importiert), ganz zu schweigen von den Ereignissen im People’s Temple im guyanischen Urwald, die im November 1978 die Weltöffentlichkeit entsetzten.
    Denn selbst wo gegen den Konformismus Sturm gelaufen wird, geschieht es im Rahmen eines Metakonformismus: Auch die Rebellion der Jugend ist in ihrem Nichtkonformismus starr konform. Daher wohl die Begeisterung für die allumfassende Reglementierung etwa in Nord-Korea, von der als Befreiung geschwärmt wird. Gleichheit, Gleichheit über alles...
    Aber die Gleichheit hat ihre subtilen und auch nicht so subtilen Tücken, und wer es nicht glauben will, der lese das Kapitel »Das Schlagwort ›Gleichheit‹ und die Gründe seiner Explosivität« in Wolf Schneiders Buch Wörter machen Leute . Dort wird ihm auch die hoffnungslos paradoxe Natur der Gleichheit vor Augen geführt, die, wo sie zum Programm gemacht und allgemeinverpflichtend aufgezwungen wird, Ungleichheit und Ungerechtigkeit erzeugt.
    In den Staaten, wo, wie erwähnt, die praktischen Gegebenheiten im Bedarfsfall viel eher den Idealen geopfert werden als in Europa, wird es einem klar, wie sehr Gleichheit eben zur Konformität der Ideale und Werte verpflichtet und wie diese dadurch noch wirklichkeitsfremder werden, als sie es meist ohnedies schon sind. »School is fun« (Schulegehen macht Spaß) wird den amerikanischen Kindern seit Generationen eingebleut; und wem es nicht so vorkommt, dem wird nicht Realismus und eigenständiges Denken attestiert, sondern mit dem stimmt etwas nicht. Und wem lange genug vorgehalten wird, daß mit ihm etwas nicht stimmt, der glaubt es schließlich selbst. Sich den Teufel um Sport zu kümmern gilt zumindest als unmännlich, wenn nicht geradezu unpatriotisch. Und, apropos Patriotismus: Den Europäer, dem noch der ganze Schrecken

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